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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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Division: ein Haufen von Außenseitern. Wir müssen das sein.«
    Michael Wincanton lachte daraufhin aus vollem Hals.
    Beatrice fragte sich, wovon sie sprachen. Sie hatte Peter nicht mehr gesehen, seit er sie an Weihnachten 1939 mit ins Museum genommen hatte. Sie fragte sich, was seine Aufgabe war, wusste jedoch, dass es keinen Sinn hatte, danach zu fragen. Ihre Pflicht bestand darin, den Wagen zu fahren.
    Im Wohnheim war das Leben fast so wie früher, allerdings ohne Judy. Mary war versetzt worden und hatte andere Aufgaben übernommen. Sie schrieb, dass sie ins Ausland geschickt würde. Ein Mädchen aus Yorkshire namens Christina logierte jetzt in Judys Koje. Jeder sprach wie besessen über Lebensmittel. Die Mädchen fantasierten darüber. Erfolgreiche U-Boot-Angriffe auf Konvois im Nordatlantik hatten erhebliche Auswirkungen auf den Nachschub. Christina, ein Mädchen vom Lande mit einem gesunden Appetit, hatte Mühe, sich an Margarine zu gewöhnen und an die winzigen Portionen fettigen Bratens und wässriger Wurst, welche die Hausmutter aus der Fleischration zubereiten konnte. Zumindest schliefen sie alle besser. Die nächtlichen Luftangriffe kamen inzwischen viel seltener, aber solche Ruhepausen hatte es schon früher gegeben. Niemand wagte es, sich wirklich zu entspannen, und die mobilen Kantinen machten immer noch ihre nächtliche Runde von Schutzraum zu Schutzraum.
    An freien Abenden ging Beatrice mit einigen der anderen Mädchen aus, mied jedoch, weil sie verlobt war, die wilderen Partys. Selbst mit einem Ring am Finger konnte sie sich der Aufmerksamkeit von Männern nicht entziehen. Keiner von ihnen beeindruckte sie sonderlich. Und seit Kurzem gab es einen weiteren Grund, der wichtiger war als alle anderen: Beatrice vermutete stark, dass sie schwanger war.
    Ihre Periode war immer schon unregelmäßig gewesen, und als sie im März ausblieb, hatte sie sich nichts dabei gedacht. Ein leichtes Tröpfeln von Blut im April beruhigte sie, obwohl die Müdigkeit und das Kribbeln in ihrer Brust irritierend waren. Guy hatte ihr versichert, dass er diesen Aspekt berücksichtigt hätte und dass sie sich keine Sorgen machen müsse. Und daran glaubte sie noch immer. Der Juni kam, und sie machte weiter wie üblich, obwohl ihr Rockbund allmählich am Bauch spannte und ihre Jacke sehr eng saß.
    Als sie sich eines Abends umzog, betrachte sie Christina, die in ihrer Koje faulenzte und in einem Magazin blätterte, in einer Weise, die eine Spur zu neugierig war.
    »Gibt’s da was, das du verschweigst, Liebes?«, fragte das Mädchen nicht unfreundlich. »Du siehst aus wie meine verheiratete Schwester, wenn sie ein Kind kriegt.«
    Der Militärarzt, der wahrscheinlich nicht an weibliche Patienten gewöhnt war, verhielt sich weder einfühlsam noch wie ein Gentleman. Mit unnötiger Grobheit untersuchte er Beatrice’ intimste Stellen so gründlich, dass es sich anfühlte, als sei jemand in sie eingedrungen. Sie hatte zwar den Stein ihres Verlobungsringes nach innen gedreht, damit er annahm, sie wäre verheiratet, doch er durchschaute ihre List mühelos und sprach mit ihr, ohne sie anzusehen. Das Baby sei wahrscheinlich im November fällig, erklärte er, als er sich die Hände wusch. Seiner Meinung nach sähe sie ziemlich gesund aus, aber sie solle in einigen Wochen wiederkommen. In der Zwischenzeit könne sie sich ja Gedanken darüber machen, wie sie in Gottes Namen mitten im Krieg ein Kind ernähren wolle, bis ihr Verlobter in der Lage war, eine ehrenwerte Frau aus ihr zu machen. Auf Wiedersehen – die Nächste, bitte!
    Die Frau am Empfang war freundlicher und erklärte Beatrice, dass sie ihre ärztliche Bescheinigung vorlegen solle, um nicht nur Anspruch auf ihre eigene, sondern auch auf eine grüne Lebensmittelkarte zu haben, und wie sie sich in einem staatlichen Entbindungsheim anmelden konnte. Beatrice dankte ihr, steckte die Bescheinigung in ihre Tasche und bahnte sich einen Weg aus dem Wartezimmer hinaus in die Sonne.
    Ihre Gedanken rasten wild durcheinander. Sie wusste nicht, was sie tun oder wohin sie gehen sollte. Kurze Zeit später fand sie sich in einem kleinen Park wieder, der von Blumenbeeten gesäumt war – irgendjemand brachte es immer noch fertig, die Beete in dem allgemeinen Chaos zu pflegen. Sie setzte sich auf eine wackelige Bank, starrte auf die Statue eines kleinen Engels, der eine Vogeltränke hielt, und versuchte, die aufsteigende Panik in den Griff zu bekommen.
    Ein anderer Mensch wuchs in ihrem Inneren.

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