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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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was die Generation ihrer Großeltern im Krieg alles durchgemacht hatte. Sie dachte an Beatrice, die damals allein, verängstigt und schwanger gewesen war. Ein Gefühl des Unbehagens rührte sich in ihr. Wie würde die Geschichte weitergehen?
    Sie hob den Kopf und sah Anthony, der gerade mit seiner Segeltasche über der Schulter vorbeiging. Sie vergaß ihre Gedanken und klopfte eifrig ans Fenster. Als er sie entdeckte, trat er mit eingezogenem Kopf durch den niedrigen Eingang des Cafés.
    »Hallo«, sagte er. »Da bist du ja wieder!«
    »Kommst du oder gehst du?«, fragte Lucy und schob ihre Tasse zur Seite.
    »Ich gehe. Ich dachte, ich könnte ein paar Stunden draußen auf dem Wasser verbringen. Lust, mitzukommen?«
    Die See war bewegter als letztes Mal, und draußen in der Bucht blies ein beißender Wind. Lucy machte das nichts aus, sie fühlte sich dadurch beschwingt und lebendig. Diesmal gelang es ihr besser, auf seine Anweisung hin das Segel herumzuschwenken, und sie fand, dass sie ein gutes Team waren. Sie fuhren direkt auf das offene Meer hinaus. Als Lucy zurückschaute, konnte sie ein großes Stück der Küste sehen.
    »Da – das ist Carlyon!«, rief sie und zeigte auf das Gerippe des Herrenhauses auf der Kuppe des Hügels. Anthony drehte das Ruder so, dass sie es im Blick behalten konnten.
    Selbst jetzt strahlte Carlyon noch eine gewisse Würde aus, wie die Ruinen einer Kirche oder eher, mit seinen hohen Schornsteinen, wie die Überreste eines kleinen Palastes. Als Lucy es aus dieser Perspektive sah – einsam und verlassen lag es da, und seine verkohlte Unordnung wurde durch die dunstige Entfernung gemildert –, fühlte sie eine starke Verbindung. Und Trauer, dass ihr ein Stück ihrer eigenen Geschichte genommen worden war, bevor sie auch nur davon gewusst hatte.
    »Wie ist das passiert?«, rief Anthony. »Das Feuer, meine ich.«
    »Ich weiß es nicht.«
    Als sie in den Hafen zurückkehrten, war es Lucy, die mit dem Schiffstau auf den kleinen Anlegesteg sprang. Obwohl ihre Hände und ihr Gesicht eiskalt waren, half sie Anthony, klar Schiff zu machen. Die Wärme des Tages war verschwunden, doch auf dem Wasser spielte ein goldenes Licht.
    »Hast du Lust, auf einen Tee mit zu mir zu kommen?«, fragte er, als sie fertig waren.
***
    Anthonys Zuhause gehörte zu einer Reihe weiß gestrichener Häuser mit Blick auf die Bucht, die sich auf halbem Wege den Hügel hinauf zusammendrängten. Es lag nicht weit unterhalb von Beatrice’ Haus. Das Glas am Vorbau trug einen Salzrand, und in den Regalen standen lange, dürre Grünlilien und staubige Geranien.
    Drinnen war es sehr eng. Unten gab es einen Flur mit zwei kleinen Räumen zu beiden Seiten und hinten eine Küche. Eine Treppe führte hinauf zu zwei Schlafzimmern und einem kleinen Bad, in dem sich Lucy ein wenig frisch machte. Als sie herauskam, spähte sie durch die offene Tür des hinteren Schlafzimmers. Anthonys Bett war gemacht, und sein Schlafanzug lag sorgfältig zusammengefaltet auf dem Kissen. Sie musste lächeln, als sie daran dachte, dass ihr eigenes Bett zu Hause immer wie ein riesiges Vogelnest aussah.
    Sie ging nach unten und sah, dass Anthony seine Segelsachen bereits auf der kleinen hinteren Veranda über den Kunststoffstühlen zum Trocknen ausgebreitet hatte. Er reichte ihr einen großen Becher mit karamellfarbenem Tee, den sie schnell in kleinen Schlucken trank, obwohl sie sich die Zunge daran verbrannte. Sie genoss die Wärme, die durch ihre Gliedmaßen strömte.
    Als sie in das Wohnzimmer gingen, stellte Lucy fest, dass Anthony für diesen Raum und die kleinen alten Sessel irgendwie zu groß geraten war. Aber vielleicht war er ja an beengte Quartiere gewöhnt. Verstohlen blickte sie sich um. Ein Laptop, mehrere Bücher und DVDs sowie ein paar Zeitschriften lagen aufgestapelt auf dem Couchtisch, obwohl in den Bücherregalen noch viel Platz war. Das Zimmer wirkte so, als ob Anthony hier biwakierte, als müsste er vielleicht von einem Augenblick zum anderen alles in eine seiner großen Reisetaschen werfen und davonstürzen. Auch die Art, wie er dasaß – auf dem Rand des Sessels, die Knie weit auseinander, der Oberkörper nach vorn gebeugt –, deutete auf Rastlosigkeit hin. Doch er sah Lucy auf eine ruhige Art an, die sie mochte.
    »Wem gehört das Haus?«, fragte sie.
    »Den Eltern eines Freundes«, antwortete er. Sie waren so freundlich, ihn kostenlos hier wohnen zu lassen. »Und ich kann auch das Boot benutzen.«
    »Und wo ist dein Zuhause?«,

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