Das Bienenmaedchen
Dieses Baby war ein Teil von Guy, und sie wusste, dass sie sich leidenschaftlich darum kümmern würde, was auch immer geschehen mochte. Sie würde Guy sofort schreiben und es ihm erzählen, und er würde es in Ordnung bringen. Er würde es den Behörden erklären und ihren und seinen Eltern. Ihre Vorstellungskraft ließ sie im Stich bei der Frage, was die Eltern wohl sagen würden. Wie auch immer – Guy würde so schnell wie möglich zurückkommen und sie heiraten, und das Leben würde erblühen. Es war nicht so, wie sie es sich ausgemalt hatte – die Bilder von dem Landhaus und den Kindern waren in einer goldenen Zukunft nach dem Krieg angesiedelt gewesen, nicht mittendrin. Aber sie würde das Kind großziehen, so gut sie es konnte. Sie legte eine Hand auf ihren Unterleib, auf die Stelle, wo sie annahm, dass dort das Baby wuchs, und sprach ein kleines Gebet – ein Gebet, das halb ein Versprechen war.
Noch am gleichen Abend schrieb sie an Guy. Als sie den Umschlag, der an diese offizielle Allerweltsanschrift in Whitehall adressiert war, in den Briefkasten gleiten ließ, fragte sie sich erneut, wo er sein könnte. Michael Wincanton hatte Kreta angedeutet, doch dort hatten die Briten eine schwere Niederlage erlitten, und so hoffte sie, dass er sich irrte. Oder vielleicht war Guy da gewesen, aber er hatte es geschafft, zurück nach Ägypten zu fliehen. Wenn dem so war, wie lange würde dann der Brief unterwegs sein, bis er ihn erreichte?
Die nächste Sache war schwieriger: Sie musste irgendwo für sich selbst einen Platz zum Leben finden. Sie hatte keine Vorstellung, wie sie die Miete bezahlen könnte, wenn das Baby auf der Welt war, aber darüber würde sie später nachdenken. Das Wohnheim mit all diesen neugierigen Augen war einfach nicht mehr das Richtige.
»Angie? Hier ist Beatrice.« Sie hatte Angelina bei ihrer »Wrennerie« in Dover angerufen, um ihr ein Treffen vorzuschlagen. Es war ihr wichtig, persönlich von dem Baby zu erzählen. Sie wünschte sich die Unterstützung ihrer Freundin. Doch Beatrice und ihr Geheimnis wurden fortgeschwemmt von der Flut von Angies Neuigkeiten.
»Bea, Schätzchen, wie schön, dass du anrufst! Ich bin so aufgeregt, dass ich es dir gleich sagen muss – ich werde heiraten.«
»Heiraten? Wen?« Ein Teil von ihr glaubte immer noch, dass Angie Rafe treu war.
»Oh Bea, sei keine Spielverderberin. Du weißt schon, wen. Gerald! Er hat mich wochenlang bedrängt, ihm eine Antwort zu geben.«
»Oh.«
»Ich weiß, was du sagen wirst: dass es nicht taktvoll ist, wo Rafe nicht da ist. Aber wir wissen nicht, wann er zurückkommt. Vielleicht erst in ein paar Jahren.«
»Angie, was für ein schrecklicher Gedanke!«
Rafe würde mit Sicherheit verletzt sein. Beatrice fragte sich, ob Gerald ein schlechtes Gewissen wegen seines Bruders hatte.
»Nun, so ist es eben. Und ich möchte, dass du meine Brautjungfer wirst«, fuhr Angie fort. »Mummy ist natürlich begeistert, obwohl die Hochzeit schon in drei Wochen sein soll, weil Gerald dann Urlaub bekommen kann.«
Beatrice konnte sich nicht vorstellen, dass Oenone Wincanton über irgendetwas begeistert war. Als sie Angelinas Mutter das letzte Mal gesehen hatte – im April –, war sie noch immer sehr traurig gewesen wegen Ed und der Tatsache, dass auch der Rest ihrer Kinder aus dem einen oder anderen Grund nicht mehr zu Hause war. Dennoch glaubte Beatrice, dass Oenone sich freuen würde. Gerald war ein guter Fang, auch wenn er nicht von hoher Geburt war, und er betete Angie zweifellos an. Außerdem war er zum Major befördert worden. Und auch wenn er nicht der Sohn eines Earls war – wen interessierte das wirklich in dieser Zeit?
»Ich wäre sehr gern deine Brautjungfer«, erwiderte Beatrice und fragte sich, wie sie ein Kleid finden sollte, das ihr passen würde. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob du das wirklich willst. Ich hab nämlich auch ein paar Neuigkeiten, weißt du.«
KAPITEL 19
Saint Florian, 2011
»Angie und Gerald wurden an einem herrlichen Tag im Juli 1941 in der Kirche St. Margaret in Westminster getraut«, beendete Beatrice ihre Erzählung für diesen Tag. Es war Mittwochnachmittag, und sie war erschöpft vom vielen Reden. Sie goss den Tee ein, den Lucy zubereitet hatte, und fügte hinzu: »Sehr exklusiv. Man braucht besondere Verbindungen, um dort zu heiraten. Ich glaube, bei Angie war es ihre Patentante, Lady Hamilton. Oder vielleicht hat auch Angies Vater seine Beziehungen spielen lassen – ich habe es vergessen.
Weitere Kostenlose Bücher