Das Bienenmaedchen
mich hier, ebenso Hetty und bald auch das Baby. Es muss ein paar Leute geben, die normale Dinge tun, Bea. Oder was soll das für eine Welt sein, wenn der Krieg vorbei ist?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich spüre, dass ich hier nicht weiter untätig herumsitzen kann. Das ist alles. Angie, ich weiß nicht, wie du darüber denkst, aber ich gehe zurück nach London. Das Zimmer bei Dinah ist immer noch frei. Ich hab ihr geschrieben und sie gefragt.«
Angie sah sie erst verwirrt an, dann wurde sie wütend. »Es geht jetzt nicht mehr nur um dich, Bea! Wie willst du da mit einem kleinen Baby zurechtkommen? Jemand muss sich um das Kind kümmern, wenn du arbeitest.«
»Ich finde schon jemanden. Viele Leute kommen irgendwie zurecht, weißt du, jede Menge.«
Angie starrte sie einige Sekunden lang an. Dann sagte sie: »Du bist anders als früher. Irgendwie härter.«
Beatrice fühlte sich von diesen Worten verletzt. Schließlich entgegnete sie: »Bin ich nicht, das weißt du. Ich bin die Gleiche, die ich immer gewesen bin, aber jetzt habe ich mehr Selbstsicherheit.«
»Ich wünschte, du würdest das Baby nicht mitnehmen. Ich werde den Kleinen vermissen, und ich weiß, Nanny auch.«
»Das ist lieb, und ich weiß, dass du ihn vermissen wirst. Aber du wirst bald ein eigenes Kind haben, Angie, und Nanny und du, ihr beide werdet genug zu tun haben. Und wenn das Kind da ist, wirst du es so sehr lieben, dass du alles für es tun willst – sogar kämpfen.«
»Du klingst ziemlich grimmig, Bea. Aber es gibt noch andere Möglichkeiten zu kämpfen. Ruhigere Möglichkeiten. Du hältst vielleicht nicht besonders viel von mir – nein, sag nichts –, aber auch ich kann stark sein. Ich bin nur anders als du.«
Beatrice war sehr verwundert über diese Worte. Angie offenbarte nur selten diese ernsthaftere Seite ihres Wesens.
KAPITEL 23
London, April 1942
Die Busfahrt nach Hause gehörte zu den Zeiten am Tag, wo sich Beatrice am glücklichsten fühlte. Wenn sie das Büro um fünf Uhr verließ, bekam sie normalerweise den Bus um fünf nach fünf, der unter häufigem Anhalten und Abfahren vom Trafalgar Square zur Camden High Street zuckelte. Es war zum Teil die Vorfreude auf das Wiedersehen mit ihrem Kind, die sie glücklich machte, aber hier im Bus bot sich ihr auch eine der wenigen Gelegenheiten, zur Ruhe zu kommen und nachzudenken. Morgens hatte sie immer mit Schuldgefühlen und Kummer zu kämpfen, weil sie den Jungen verließ – ganz zu schweigen von der Angst, zu spät zur Arbeit zu kommen. Jetzt, wo sie sich um ein kleines Kind kümmern musste, gab es immer irgendetwas, das sie aufhielt.
Wenigstens war es nun noch hell, wenn sie in Camden ankam. Von der High Street bis zu der Nebenstraße mit den viktorianischen Arbeiterhäuschen, wo Mrs Popham wohnte, war es nicht weit, aber während der Verdunkelung war Beatrice hier nicht gern entlanggegangen. Als sie im Februar wieder nach London gezogen war, hatte es ihr zusätzlich zu schaffen gemacht, dass sie morgens im Dunkeln aus dem Haus ging und abends im Dunkeln zurückkehrte.
Von Mrs Pophams Zuhause konnte man bequem in zehn Minuten zu Dinahs Wohnung in Primrose Hill spazieren. Mrs Popham war zwar nett zu kleinen Kindern, ansonsten aber recht kratzbürstig. Vor allem hatte sie etwas gegen berufstätige Mütter, was absurd war, denn schließlich verdiente sie mit ihnen ihren Lebensunterhalt. Und sie stellte merkwürdige Regeln auf: So musste zum Beispiel jedes der Kinder in ihrer Obhut jeden Tag saubere Flaschen und Schüsseln mitbringen, weil sie sich nicht mit dem Abwasch herumärgern wollte. Außerdem bestand sie darauf, dass die Kinder bis sechs Uhr abends abgeholt wurden. Und die Rechnungen mussten in bar und im Voraus bezahlt werden. Beatrice glaubte zwar nicht, dass die Frau die Babys tatsächlich hinauswerfen würde, falls ihre Mütter einmal gegen diese Regeln verstießen, aber sie hielt es für besser, es nicht darauf ankommen zu lassen.
Es grenzte an ein Wunder, dass sie es bis jetzt immer bis sechs geschafft hatte, und sie fürchtete den Tag, an dem sie sich wegen etwas Unvorhersehbarem verspäten würde. Die besagten Rechnungen waren der härteste Brocken. Bis zum Ende ihres Schreibmaschinenkurses hatte sie bei Dinah einen Kredit aufnehmen müssen, um die ersten zwei Wochen Kinderbetreuung bezahlen zu können. Dinah freute sich offenbar darüber, dass sie Beatrice wiederhatte, und war hingerissen von dem Baby, das sich bei allen im Haus beliebt machte, weil es nach
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