Das Bienenmaedchen
den aufregenden Tagen mit Mrs Popham in den meisten Nächten durchschlief. Sein Kinderbett passte allerdings nur so gerade in Beatrice’ Schlafzimmer.
Die Arbeit selbst fand Beatrice langweilig. Sie hatte sich beim Kriegsministerium um eine Stelle im Büro beworben und gedacht, sie würde damit einen winzigen Beitrag zu den Mühen des Krieges leisten. Sie tat jedoch nicht anderes, als jeden Tag in einem Raum voller Frauen zu sitzen und Bestellungen für Uniformen abzutippen. An sich war das keine unwichtige Aufgabe – schließlich mussten Leute, die ihren Dienst taten, eingekleidet werden –, aber es war eine nüchterne Arbeit, die ihr keinen Spaß machte. Außerdem fiel es ihr schwer, mit den anderen Mädchen, die meist frei und ungebunden waren, Freundschaft zu schließen. Ebenso wie für Mrs Popham war Beatrice für sie »Mrs Marlow«, eine Witwe mit einem Baby, die ein Schattendasein führte, und so luden sie sie nicht zu ihren geselligen Vorhaben ein.
Jetzt, wo das Wetter wärmer war, setzte sich Beatrice mit ihrem kärglichen Sandwich am Mittag immer auf dieselbe niedrige Mauer im St James’ Park. An einem warmen Frühlingstag, als die Wolken über den Himmel jagten und die Osterglocken unter den Bäumen wippten, bemerkte sie einen jungen Offizier, der vor der Statue irgendeines längst verblichenen Generals auf den Stufen saß. Ihr Herz tat einen Hüpfer, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn kannte.
»Rafe?«, sagte sie und stand auf. Ihr Sandwich fiel auf den Boden und war augenblicklich vergessen. »Rafe!«
Endlich schaute er auf. »Beatrice?«, rief er erstaunt und sprang auf die Füße. Er eilte zu ihr und ergriff ihre Hände. »Was für ein Zufall!«
Einen Augenblick lang starrten sie sich entzückt an.
»Ich hab nicht gewusst, dass du in London bist«, sagte Rafe. »Was machst du hier?«
»Ich könnte dich das Gleiche fragen. Seit Monaten hat keiner was von dir gehört. Wo warst du?«
»Ich weiß. Tut mir leid. Es war mir nicht möglich zu schreiben, und ich weiß nie, wie lange ich irgendwo bin.«
Diese etwas verworrene Erklärung enttäuschte sie. Sie war verärgert, aber sie sagte sich, dass das falsch war. Er konnte nichts für diese Heimlichtuerei, aber Beatrice hasste sie trotzdem. Es war, als ob Rafe auf Abstand zu ihr ging. Wie bei einer grässlichen Schachpartie, bei der einem der andere Spieler ein Rätsel und immer einen Zug voraus war.
»Es tut mir wirklich leid!« Nun war er es, der beklommen aussah.
»Es ist nur …«, sagte Beatrice. »Wir machen uns solche Sorgen um dich! Gerald und Angie fragen mich immer, ob ich etwas gehört hätte.«
»Tun sie das?« Er sah unglücklich aus, und genauso klang seine Stimme.
»Ja.«
»Wie geht’s dem Kleinen?«, fragte er mit mehr Begeisterung. »Hör mal, das ist albern. Hast du einen Augenblick Zeit? Sollen wir spazieren gehen?«
»Ich muss in zwanzig Minuten zurück zur Arbeit.«
»Ich sehe, du bist keine FANY mehr«, sagte er mit einem Blick auf ihre normale Kleidung und hakte sie unter.
»Nein, Büroangestellte. Der Job ist langweilig, aber er erhält uns gerade so am Leben.« Michaels Geschenk und das Geld, das ihre Mutter immer noch schickte, halfen ihr, die Rechnungen zu bezahlen. »Und, da du nach ihm fragst: Er ist das beste und aufgeweckteste Baby der Welt.«
»Er muss schon ziemlich groß sein. Kann er schon gehen?«
»Oh, Rafe, er ist erst fünf Monate alt! Natürlich kann er das noch nicht. Weißt du denn überhaupt nichts über Babys? Ich wünschte, ich hätte ein Foto, das ich dir zeigen kann. Du musst ihn unbedingt kennenlernen.«
»Wo ist er denn?«, fragte Rafe, und Beatrice brach in schallendes Gelächter aus, weil er sich umsah, als ob er erwartete, dass das Baby hinter der Statue hervorhüpfen würde.
»Er ist natürlich bei einer Tagesmutter. Du glaubst doch nicht, dass er mit mir zur Arbeit geht, oder? Sie ist ausgesprochen nett zu ihm«, fügte sie hinzu, mit dem Schuldgefühl, das sie immer hatte, wenn sie es zuließ.
»Und was ist das für eine Arbeit? Ist sie furchtbar geheim?«
»Ach nein, ich mach mich bloß auf niedriger Ebene nützlich. Tippen, Formulare ausfüllen – solche Sachen. Alles, was ich schreibe, muss ich zweimal zerreißen, bevor ich es richtig hinkriege. Ich weiß wirklich nicht, warum sie mich weiterhin behalten. Zu wenig Leute vermutlich.«
Er lachte. »Ich bin sicher, du unterschätzt dich. Das hast du immer getan.«
»Wirklich?« Sie war überrascht, dass er sie so sah.
»O
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