Das Bienenmaedchen
Geldmitteln beschäftigt«, fuhr Beatrice fort. »Sie leben ihren Alltag und streiten sich immer noch über die üblichen Themen.«
»Meine Mutter fährt einen Krankenwagen«, sagte Rafe in einem Ton, als könne er das nicht glauben. Und Beatrice, die sich an die gelangweilte, elegante Amanda Armstrong auf Angies und Geralds Hochzeitsfeier erinnerte, wusste sofort, weshalb ihn das erstaunte.
»Und du? Warst du die ganze Zeit im Land?«, erkundigte sie sich. Vielleicht erfuhr sie mehr, wenn sie ihn direkt fragte.
»Meistens. Ich war lange zur Ausbildung in Schottland und im Lake District.«
»Meinst du, dass du … bald wieder weggehst?« Sie wartete und fürchtete sich vor der Antwort.
Er trank seinen Drink aus und stellte das Glas vorsichtig auf den Tisch zurück. »Sieht so aus, aber ich darf dir nicht das geringste bisschen darüber erzählen, Bea. Tut mir leid, aber so ist es nun mal. Sie würden mich wahrscheinlich erschießen.«
»Heißt das, dass es sehr gefährlich ist?«
»Könnte sein. Ja.« Seine Miene war undurchdringlich geworden, und das machte ihr Angst. Es war, als ob es jetzt ein anderer war, der durch Rafes Augen in die Welt hinausschaute. Wie schnell hatten sie erwachsen werden müssen! Als sie in Saint Florian gewesen war, hatte sich dort kaum etwas verändert. Aber sie waren nicht mehr dieselben.
»Die Pferde sind weg«, sagte sie unvermittelt.
»Was für Pferde?«
»Voriges Jahr war ich in Cornwall, und da waren Jezebel und die Ponys immer noch in Carlyon, obwohl dort Soldaten einquartiert sind. Aber als ich diesmal zum Haus hochgegangen bin, nur um nachzusehen, waren die Pferde weg.« Niemand hatte das Tor bewacht, und sie war unbehelligt zu den Ställen gelangt. »Die Boxen waren ausgefegt und dienten als Lagerräume. Der Soldat, mit dem ich gesprochen habe, wusste noch nicht mal, wer der alte Harry war, geschweige denn, wo er wohnen könnte.«
»Harry geht es bestimmt gut. Er hat doch seine Familie in der Gegend, oder? Ich glaube, das hat er mir mal erzählt. Aber die Pferde! Ich mag nicht darüber nachdenken, was aus ihnen geworden ist.«
»Ich auch nicht«, sagte Beatrice, die sich an die Pferde auf dem Remontehof erinnerte. »Sie haben überhaupt keinen Einfluss auf ihr Leben.«
»Manchmal denke ich, dass wir auch nicht mehr Einfluss auf unser Leben haben als sie«, sagte Rafe. »Die Welt, in der wir leben, ist ein Albtraum. Aber ist es schrecklich, wie sehr wir uns daran gewöhnt haben. Sich langweilen, untätig herumhängen – all das ist zur Normalität geworden. Dabei erfährt man jeden Tag neue Horrormeldungen.« Er wies auf die Zeitung. »Werden wir dagegen immun?«
»Vermutlich können wir nur so überleben. Akzeptieren, dass bestimmte Dinge geschehen. Und weitermachen.«
»Aber es ist doch wichtig, dass wir wütend sind, findest du nicht? Dass wir wütend bleiben. Wir sind keine dummen Tiere! Auf unsere Art können wir uns wehren.«
»Ich wünschte, ich hätte das Gefühl, genau das zu tun.«
»Das tust du, auf deine Weise, Bea.«
»Indem ich Formulare in einem Büro ausfülle?«
»Jemand muss das tun. Und denk an deinen Sohn! Du musst dich um ihn kümmern.«
»Ja«, sagte sie ein bisschen traurig. »Der süße Junge. Es ist so schrecklich, dass er Guy nie kennengelernt hat.«
»Ich finde, du bist sehr tapfer, Bea.«
Sie schwiegen einen Moment lang.
»Ich wünschte, ich könnte mehr tun! Vielleicht hätte ich dann nicht mehr solche Angst. Wenn ich nur selbst etwas für die Zukunft tun könnte, statt darauf zu warten, dass andere es für mich tun.«
»Du hast Angst?« Er lehnte sich zu ihr hinüber und nahm ihre Hand. »Ich mache mir Sorgen, weißt du. Ich denke oft an dich – was du wohl gerade tust und ob es dir gut geht. Und was ich gesagt habe, das habe ich wirklich so gemeint. Du warst sehr tapfer, als Guy –«
»Bedaure mich nicht, Rafe. Das Baby ist ein großes Geschenk. Und ich war überhaupt nicht tapfer. Ich habe weitergemacht und das getan, was ich musste. Ihr seid tapfer! Du und all die anderen, die ihr Leben aufs Spiel setzen!«
Ihm so nah zu sein, war für Beatrice, als würde sie gefoltert. Es machte ihr bewusst, dass noch immer vieles zwischen ihnen stand, selbst wenn sie zusammen waren. Sie spürte, dass ein Teil seines Bewusstseins weit entfernt war und sich mit etwas anderem beschäftigte – mit dem, was er tun musste, was auch immer das war. Und außerdem war da die Vergangenheit. Sie fragte sich, ob er wusste, dass Angie ein Kind
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