Das Bienenmaedchen
Babys!
Als sie Angie fragte, wie es ihr ginge, war die Reaktion kühl und abwehrend. Allerdings räumte Angie ein, dass – ja – der Arzt gesagt habe, sie könnten es noch einmal versuchen. Kein Grund, die Hoffnung aufzugeben.
Nach acht Tagen erhielt Beatrice einen Brief, in dem sie aufgefordert wurde, eine Woche später zu einem weiteren Training anzutreten. Ein Teil von ihr reagierte mit starkem Widerwillen, aber gleichzeitig drängte etwas anderes sie vorwärts: Sie wusste, sie musste es tun. Sie wurde gebraucht. Sie könnte etwas bewirken.
»Könntest du es ertragen, dich weiter um ihn zu kümmern?«, fragte sie Angie.
»Wir wären tief unglücklich, wenn du ihn uns wegnehmen würdest«, war die Antwort. »Aber wo um Himmels willen gehst du hin?«
»Das weiß ich nicht genau. Es ist nur ein Training«, sagte Beatrice einfach.
Oktober 1942
Diesmal wurden Beatrice und ein paar andere Agenten auf eine lange und ermüdende Zugreise nach Schottland geschickt. In Glasgow stiegen sie in einen kleinen Regionalzug um, in dem ihnen schließlich mitgeteilt wurde, sie sollten an einem winzigen Landbahnhof aussteigen, wo ein Lastwagen auf sie wartete. Über unasphaltierte Straßen gelangten sie zu einem schönen Haus aus Granitgestein, von dem aus man auf einen eiskalten, zinnfarbenen See blickte. In dieser einsamen, aber wunderschönen Landschaft sollte Beatrice einen Monat verbringen, um sich einem körperlichen Training zu unterziehen, das ihre Ausdauer jenseits des Durchhaltevermögens auf die Probe stellen würde.
Es gab nur noch eine weitere Frau in der Gruppe: ein stämmiges Mädchen mit reizlosem Gesicht. Sie wurde Geneviève genannt und war ein oder zwei Jahre älter als Beatrice, die sich mit ihr ein Zimmer teilte – nicht, dass sie viel Zeit dort verbringen würde.
»Ihr Mädchen, ihr seid den Männern gleichgestellt«, instruierte sie der Einsatzleiter kurz und abgehackt. »Kein Gejammer bei mir um Rücksichtnahme.«
»Er wird dafür sorgen, dass ihr im Stehen pisst«, scherzte sein Unteroffizier, ein kleiner dunkelhaariger Waliser, der seinen Job, Frischlinge anzutreiben, eindeutig genoss. Die Frauen schlossen den unausgesprochenen Pakt, seine Bemerkungen zu übergehen, was sich als der bestmögliche Umgang damit erwies. Sie wussten, dass sie so gut sein mussten wie die Männer – wenn nicht sogar besser – und kein Aufhebens darum machen durften. Wie sie pinkelten, wäre für sie das geringste Problem.
Es war das vollständige Kommandotraining: Sie absolvierten Fünfundzwanzig-Meilen-Märsche im Dunkeln über Berge und erklommen die unmöglichsten Klippenwände, wobei sie von großen Drahtrollen und den Waffen, die sie trugen, heruntergezogen wurden. Sie schliefen im Freien auf Hügelkuppen ohne Decken und im strömenden Regen und schleppten ihre Ausrüstung durch eiskalte Flüsse. Zusätzlich wurden sie mit einer Vielzahl von Schusswaffen vertraut gemacht und lernten, mit Handgranaten umzugehen und Bomben zu basteln. Geneviève verfügte über Kraft- und Ausdauerreserven, die offene Bewunderung hervorriefen, selbst bei dem Waliser. Beatrice stolperte durch das Training und
war bei den anstrengendsten Touren nie ganz so schnell wie die anderen. Es war pure Entschlossenheit, mit der sie das durchstand, und genau das nahmen diese Leute zur Kenntnis.
Die Gelegenheit zum Nachdenken bot sich Beatrice nur selten. Wann immer sie die Zeit fand, um sich hinzusetzen und einen Brief an Angie oder ihre Eltern zu schreiben – was so gut wie nie vorkam –, fiel ihr nichts ein, was sie ihnen mitteilen durfte. Überdies war der Unterschied zwischen ihrer Welt und der ihrer Angehörigen so groß, dass sie sich kaum mehr vorstellen konnte, wie sie aussahen, und am Ende nicht mehr zu Papier brachte als herzliche Grüße. Meist gab sie es einfach auf und ging ins Bett. Schlaf war das, was Beatrice und den anderen abging, und wurde zu dem, was sie sich am meisten wünschten. Sie war erstaunt, unter welchen Umständen sie ein Nickerchen machen konnte – in eisiger Kälte oder an einen Baum gelehnt. Selbst zwanzig Minuten genügten ihr, um wieder fit zu werden.
Sie hatte keine Zeit und keinen Anlass, um an ihr Kind zu denken, aber ihre Gedanken glitten immer wieder zu Rafe.
Einmal, als sie darum kämpfte, ein Kanu in bewegter See zu Wasser zu lassen, um eine Wasserbombe zu legen, hielt sich hartnäckig das Bild jener schrecklich stürmischen See in Cornwall in ihrem Kopf.
Ein andermal rief der Höhepunkt ihres
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