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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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»Es ist nur natürlich. Doch von außen betrachtet wirken Sie sehr gelassen. Das ist gut. Wir können nicht vorhersehen, was auf uns zukommt, aber wir können dem am besten begegnen, wenn wir gefasst sind.«
    Beatrice war überrascht und erfreut, als sie Bewunderung in den Augen der älteren Frau sah. Manch einer bezeichnete Vera Atkins als verschlossen oder sogar hart. Aber Beatrice konnte Wärme spüren – und dass sie sich zutiefst um die jungen Frauen sorgte, die sie mitten hinein in die Gefahr schickte.
    »Als wir uns das letzte Mal begegnet sind, haben Sie mich gefragt, welche Vorkehrungen Sie für Ihr Kind treffen sollten«, fuhr Miss Atkins fort. Beatrice biss sich auf die Lippe: Die Frau hatte sie ermutigt, praktisch zu denken und zum Beispiel ein Testament zu verfassen. »Bitte seien Sie beruhigt. Er würde Geld bekommen, wenn …«
    Obwohl sie nichts weiter dazu sagte, sprang in Beatrice eine surrende Spannung an, wie eine elektrische Ladung.
    Miss Atkins berührte sie an der Schulter und zog sie aus ihrer Träumerei. »Warum fahren Sie nicht weg und verbringen ein paar Tage mit Ihrer Familie, wenn das hier zu Ende ist? Anschließend kommen sie fit und erfrischt nach London zurück.«
    Beatrice versuchte, in Miss Atkins’ ruhigen Augen irgendeinen Hinweis zu erkennen. Doch sie fand nur Besorgnis darin.
    »Warum fahren wir nicht alle nach Cornwall?«, rief Angie ins Telefon. »Ach, verdammt! Die Verbindung ist miserabel. Kannst du mich hören?«
    »So in etwa«, antwortete Beatrice. »Aber wo willst du wohnen? Meine Eltern haben leider nicht genug Platz für uns alle.«
    »Oh, Mummy hat doch dieses gemietete Haus behalten. Da gibt es viel Platz, wir können alle da wohnen. Er ist ein richtig großer Junge geworden, stimmt’s, Schätzchen? Ich hol ihn ans Telefon, wenn du möchtest. Oh, zu spät!« Die drei von den Behörden erlaubten Minuten waren abgelaufen und die Pieptöne verschwunden. Die Verbindung brach ab.
    Saint Florian im Mai. Der Himmel ein unendliches Blau, an dem wunderbare Wolkenbäusche aus reinem Weiß schwebten und ihre Schatten auf eine glitzernde See warfen. Der Strand, der Beatrice einmal so lieb und vertraut gewesen war, wurde nun durch Stacheldrahtrollen verunziert. Ein alter Seemann zeigte ihnen einen sicheren Weg hinunter zum Wasser.
    Mit seinen achtzehn Monaten rannte ihr Sohn voller Freude über den kühlen Sand zum Meer. Sie jagte hinter ihm her, packte ihn und schwang ihn herum, um seine Zehen in die heranbrausenden Wellen zu tauchen. Seine aufgeregten, gellenden Schreie verloren sich im Wind. Kostbare Tage der Freude, bevor die lauernden Schatten herabfielen.
    Sie alle wohnten in dem gemieteten Haus am Kai. Angie, die durch die Schwangerschaft rund geworden war, schlief jeden Nachmittag, und Beatrice nutzte diese Zeit, um mit ihrem Kind die steilen Stufen hinaufzusteigen und ihre Eltern zu besuchen. Hugh war krank gewesen und litt immer noch unter trockenem Husten. Er sah zehn Jahre älter aus, als er tatsächlich war. Und immer noch schloss er sich nach dem Frühstück in sein Arbeitszimmer ein.
    »Woran schreibt er im Moment?«, fragte Beatrice ihre Mutter, die sie mit einem langen, bedeutungsvollen Blick fixierte und dann den Kopf schüttelte.
    »Ich weiß es nicht.« Das war alles, was sie dazu sagte.
    Die Eltern drängten Beatrice nicht, über das zu reden, was sie machte. Sie wusste allerdings, dass ihre Arbeitgeber die elterliche Erlaubnis, dass Beatrice ins Ausland gehen durfte, eingeholt haben mussten, weil sie noch nicht einundzwanzig war. Ihre Mutter hatte zwar nichts mehr von ihrer Familie in Frankreich gehört, aber sie musste wohl oft an sie denken. Delphine hatte den Jungen angeschaut und gesagt: »Er sieht aus wie mein Bruder in diesem Alter.« Einmal sagte sie auch: » Viens, mon petit … Sprichst du Französisch mit ihm? Das solltest du, weißt du.«
    Die Ferien gingen viel zu schnell vorbei. Die kleine Hausgemeinschaft würde noch bleiben, aber Beatrice musste zurück nach London.
    »Reg ihn nicht auf, wenn du dich von ihm verabschiedest«, sagte Angie. »Manchmal ist es schwierig, ihn dazu zu bringen, mit dem Weinen aufzuhören, wenn du dann weg bist.«
    Beatrice starrte ihre Freundin an, und die Tränen schossen ihr in die Augen. Sie wandte sich ab, damit Angie nicht sah, wie verletzt sie war.
    Sie beschlossen, dass sie mit ihrer Mutter zum Bahnhof hinaufgehen sollte. Als der Moment kam, nahm sie ihren Sohn in die Arme und hielt ihn eng an sich

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