Das Bienenmaedchen
Zigarette aus. Dann stand er auf, machte eine kleine Verbeugung in ihre Richtung und verließ den Raum.
»Wer ist das?«, fragte sie die anderen.
»Er war bis letzte Woche da unten. Wir mussten ihn rausholen«, erwiderte Buckmaster knapp. »Und er kennt Florian.«
»Florian?« Sie zuckte zusammen. Saint Florian!
»Er wäre Ihr Organisator.«
»Das … ist nicht sein wirklicher Name.«
»Natürlich nicht. Aber wir nehmen an, dass Sie ihn vielleicht kennen.«
»Das glaube ich auch«, flüsterte sie. Sie fühlte sich seltsam benommen.
»In diesem speziellen Fall könnte das nützlich sein. Sie würden eng beieinander leben.«
Jetzt wusste sie es mit Sicherheit. Es war Rafe!
Sie hätte ohnehin Ja gesagt, auch ohne von Rafe zu erfahren. Doch das zu wissen, überzeugte sie vollends.
»Sie müssen eine Nacht darüber schlafen«, sagte Buckmaster.
»Das brauche ich nicht«, erklärte sie. »Ich werde gehen.« – Noch nie im Leben war sie sich einer Sache so sicher gewesen.
Victor schob die Kiste zum Rand der Luke und kippte sie nach draußen in die Luft. Gemeinsam beobachteten sie, wie sich weit unten der Fallschirm öffnete. Beatrice bereitete sich vor, der Kiste zu folgen. »Jetzt!«
Beatrice schloss die Augen und ließ sich fallen. Sie spürte Entsetzen, als die Luft an ihr vorbeibrauste, dann kam ein Hochgefühl, als sie nach unten schwebte, nachdem das Gestell mit der Seide in die Höhe geschossen war. Sie öffnete die Augen wieder. Im Mondlicht breitete sich unter ihr eine weite Ebene mit einem Muster aus Feldern und Weilern aus. Ein silbern glänzender Fluss wand sich in Schlangenlinien durch ihr Blickfeld. Das Geräusch der Flugzeugmotoren war inzwischen verhallt. Alles, was sie hören konnte, war der Wind. Und jetzt stürzte der Boden auf sie zu, schlug ihr in die Beine und presste ihr den Atem aus der Lunge, als sie sich abrollte. Sie setzte sich auf, schnallte das Gurtzeug ab und schaute sich um. Erleichtert sah sie, wie Victors Fallschirm in sich zusammenfiel, als er etwa hundert Yards entfernt landete. Ein Ruf war zu hören, und Beatrice sprang rasch auf, als sich zwei Gestalten aus der düsteren Linie einer Hecke lösten. Sie verkrampfte sich – und entspannte sich sofort wieder, denn Victor rief: »Salut!« Jeder der Männer wiederholte seinen Gruß.
Der ältere Mann bahnte sich einen Weg durch das schlammige Weizenfeld, um ihr zu helfen. Victor und der andere Mann suchten nach der Kiste, die sie schließlich fanden und auf eine bereitstehende Handkarre luden.
Der Mond stand schon tief am Himmel, als sie einen mehrere Meilen entfernten Bauernhof erreichten. Sobald sie im Haus waren, lief eine ruhige, eingeübte Aktion ab: Der Inhalt der Kiste wurde ausgepackt und rasch irgendwohin nach draußen gebracht. Eine stämmige Frau, die Gattin des älteren Mannes, deckte Schüsseln mit Gemüsesuppe und Brot auf. Nach dem Essen gab sie Beatrice durch einen Wink zu verstehen, ihr die Treppe hinauf zu folgen und zeigte ihr das Schlafzimmer, damit sie sich umziehen konnte. An der Wand über dem Bett hing ein hölzerner Jesus im Todeskampf.
»Depechez-vous!«, rief Victor von unten. Sie mussten sofort zu einem anderen Bauernhof aufbrechen, wo sie ein paar Stunden schlafen könnten. Danach sollte Beatrice allein weitergehen.
»J’arrive!«, rief sie zurück. Sie flüsterte dem Kruzifix eine Bitte zu und warf einen kurzen Blick in den Spiegel. Ihr Gesicht war schmal und bleich und entschlossen. Dann eilte sie nach unten.
Niemand fand etwas Merkwürdiges daran, am Markttag ein fremdes Gesicht zu sehen. Was allerdings nicht hieß, dass man sie nicht bemerkt hätte. Besonders die Männer nahmen Notiz von ihr, trotz ihres schlichten Kleides und der schwarzen Strickjacke sowie der Tatsache, dass sie von der Fahrt im Heuwagen verstaubt war. Beatrice achtete nicht darauf, sondern schlenderte an den Verkaufsständen entlang und probierte das Obst. Um ganz normal zu wirken, kaufte sie ein paar Erdbeeren und feilschte beim Preis. Selbst hier, in dieser kleinen Stadt, lungerten deutsche Soldaten herum. Manche gingen auch an der Reihe der Stände entlang und blieben ab und zu stehen, um irgendwelche Kinkerlitzchen zu kaufen. Beatrice sah, dass die meisten Leute ihnen aus dem Weg gingen und den Blick abwandten.
Mittlerweile ging es auf den späten Vormittag zu. Es wurde heiß, und einige Händler packten bereits ihre Waren ein. Beatrice schlich fort und steuerte auf eine Straße am entgegengesetzten Ende des
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