Das Bienenmaedchen
Zukunft. Sie vermutete, dass jeder Agent seine eigenen Gründe hatte, weshalb er an diesen Sonderoperationen teilnahm. Jeder hatte seinen eigenen persönlichen Kummer und brachte seine eigenen Opfer in diesem Kampf gegen das große Böse, das wie eine Giftwolke über der Welt lag.
Die Männer waren in dieser Gesellschaft immer in der Überzahl, und Beatrice fehlte es nie an Tanzpartnern. Wenn sie allerdings zu einem Abendessen zu zweit eingeladen wurde, lehnte sie meist höflich ab. Und als die Nachricht von ihrem Kind die Runde gemacht hatte, wurden die Einladungen tatsächlich seltener. Sie nahm an, dass es einige der Männer abschreckte oder dass sie dies oder das über sie dachten, um ihre Eitelkeit zu besänftigen. Respekt oder Verachtung – was immer es war, es war ihr egal. Es gab jedenfalls niemanden, den sie besonders attraktiv fand. Denn in Wahrheit harrte ein Teil von ihr einfach aus, der Teil, der es genoss, zu flirten und umworben zu werden. Sie wartete auf Rafe.
Sie fand es merkwürdig, dass sie sich nie begegneten, falls er wirklich eindeutig in diesem Bereich tätig war. Und daran glaubte sie noch immer. Gerald hatte gesagt, ihre Mutter bekäme ab und zu Bescheid, dass er am Leben sei, mehr jedoch nicht. Natürlich konnte man ihn überallhin in Europa geschickt haben – eigentlich in die ganze Welt.
KAPITEL 28
Anfang Mai 1943 wurde Beatrice von einem Anruf überrascht, der sie in ziemliche Aufregung versetzte. Man forderte sie auf, sich in den Büros in der Baker Street einzufinden. Sie hatte diese Büros immer nur von außen gesehen – damals, als sie dort hingefahren war und Peter Wincanton getroffen hatte. Die Regel, die Agenten von der Schaltzentrale der Organisation fernzuhalten, wurde sehr streng gehandhabt. Es musste etwas sehr Ernstes sein, weshalb man sie dorthin beorderte.
Als sie sich am Empfang meldete, wurde sie zu einem gegenüberliegenden Nebengebäude geschickt. Dort holte sie eine andere FANY ab und begleitete sie nach oben in den zweiten Stock. Der Fahrstuhl hielt an, und durch die vergitterte Tür sah Beatrice einen wartenden Mann stehen. Als die FANY das Gitter aufschob, fand sich Beatrice zu ihrer Verblüffung Aug in Auge mit Peter wieder.
»Peter …«, sagte sie. »Was machst du denn hier?«
»Bea, gütiger Himmel!«, rief er. Sie warteten darauf, dass die FANY weiterging. »Ich arbeite hier: Sektion F. Ich weiß natürlich alles über dich.«
»Oh! Ich hatte keine Ahnung!« Wie die zahlreichen Fächer in einer chinesischen Box glitten all die kleinen Anhaltspunkte und Hinweise nach und nach in ihrem Kopf an die jeweils richtige Stelle. Das also war der geheimnisvolle Job, den Peter machte! Es hätte auch eine andere streng geheime Abteilung sein können, für die er arbeitete, doch durch einen wundersamen Zufall war er in ihrer. Aber ist das wirklich ein Zufall?, fragte sie sich, nachdem sie sich von ihm verabschiedet hatte und der FANY den Gang entlang folgte. Es hätte keinen Sinn gehabt, ihn danach zu fragen.
Die junge Frau hielt an und klopfte an eine Tür. Beatrice wurde in ein kleines Büro gebeten, wo der Chef der Sektion F, Major Buckmaster, sie mit kräftigem Händedruck willkommen hieß und ihr zwei Kollegen vorstellte: einen Mann namens John Hudson, der Majorsstreifen trug, und eine Büroangestellte. Yvonne Andrews war eine zierliche junge Frau mit einem intelligenten Gesicht, auf dem ein Ausdruck tiefen Kummers lag.
»Nehmen Sie bitte Platz, Miss Marlow. Yvonne, seien Sie so gut und schauen Sie nach, ob die letzte Nachricht gesendet wurde.«
Yvonne Andrews nickte gehorsam und verließ das Zimmer.
»Ich weiß, dies ist ein bisschen gegen die Vorschriften«, sagte Buckmaster, griff nach einem Blatt Papier und setzte sich auf die Schreibtischkante. »Miss Atkins würde es nicht gutheißen, wenn sie hier wäre, aber sie ist nicht hier. Wir möchten Sie um Rat fragen.«
»Natürlich«, murmelte Beatrice. »Was wollen Sie denn wissen?«
»Das hier kam gestern«, erklärte er und reichte ihr das Blatt. Es war ein Fernschreiben, dessen Botschaft bereits decodiert war. »Wir glauben, es ist von unserem Mann Georges, den Sie mit Henri drüben in Rouen getroffen haben. Aber Hudson hat da seine Zweifel, und wir wollten Sie nach Ihrer Meinung fragen, weil Sie die Verhältnisse vor Ort kennen.«
Sie las es rasch.
»Er hätte den Prüfcode benutzen sollen«, sagte Major Hudson zu Buckmaster. Die beiden Männer waren offensichtlich nicht einer Meinung.
»Das
Weitere Kostenlose Bücher