Das Bienenmaedchen
Platzes zu. Sie hielt nach einem ganz bestimmten kleinen Café Ausschau. Dort war es – mit dem Bild eines Hähnchens über der Tür und ein paar Küchenstühlen, die draußen aufgereiht waren. Sie teilte den Perlenvorhang und trat hinein.
Drinnen war es ziemlich schlicht. Der Raum war winzig und düster, aber zumindest kühl. Zwei alte Männer saßen an einem Tisch und spielten Karten. Ein magerer Hund, der neben ihnen lag, stand auf, streckte sich und kam herbei. Er schnüffelte ziemlich gelangweilt an Beatrice und kehrte dann an seinen Platz zurück. Sie ging zur Bar, wo eine Frau um die vierzig Gläser polierte. Sie hatte ein breites, rundes Gesicht und trug ein Netz um ihr dichtes schwarzes Haar. Mit teilnahmsloser Miene sah sie Beatrice von oben nach unten an.
»Bonjour, Madame« , sagte Beatrice. »Je voudrais parler avec Madame Girand, s’il vous plâıt.«
»Attendez, Mademoiselle.« Das Gesicht der Frau war immer noch ausdruckslos, aber sie stellte das Glas in ihrer Hand auf ein Regal und verschwand sogleich durch einen Hinterausgang.
Während Beatrice wartete, sah sie sich in dem Café um. Dabei bemerkte sie, dass in einem dunkleren Winkel des Raumes noch jemand saß. Es war ein recht junger Mann, glatt rasiert und mit kurzen Haaren, der einen Büroanzug trug. Eine kleine Lederaktentasche lehnte an seinem Stuhl. Sein Blick ruhte kurz auf ihr und glitt dann wieder fort. Das Ganze war beunruhigend. Sie fragte sich, aus welchem Grund er diesen schäbigen Ort dem schickeren Café am Platz vorzog.
Die Frau mit dem harten Gesicht kam zurück, gefolgt von einer weiteren Frau, die drahtig und freundlicher war und ihr ergrauendes Haar zu einem Knoten hochgesteckt hatte. Sie kam direkt um die Bar herum und umarmte Beatrice, als wäre sie eine lange verschollene Cousine.
»Paulette, ma petite!« , rief sie. »Comment vas-tu, mon ange? Et ta mère – elle va bien?«
Noch bevor Beatrice – oder vielmehr Paulette – sich zu ihrem Befinden oder dem ihrer Mutter äußern konnte, wurde sie durch eine kleine Küche, einen Flur entlang und dann durch die Hintertür in einen schattigen Garten mit ein paar Abfallbehältern geschoben.
»Wir sind fast da«, flüsterte die Frau und führte Beatrice hinaus auf eine staubige Gasse, die zwischen zwei Gebäudezeilen entlangführte. Sie klopfte an die Hintertür des gegenüberliegenden Hauses, und dann warteten sie beide eine lange Zeit, wie es schien.
Schließlich wurde die Tür entriegelt und geöffnet. Zum Vorschein kam ein alter Mann in Hemdsärmeln und Hosenträgern, dessen trauriges Gesicht mit Hängebacken Beatrice an den französischen General erinnerte, den sie damals in London gefahren hatte.
»Entrez, entrez, Mesdames« , murmelte der Alte und machte eine einladende Geste. Sobald sie im Haus waren, drückte er Beatrice fest die Hand und sagte: »Sie sind sehr willkommen. Mein Name ist Gaston. Brigitte, vielleicht Kaffee für unsere Gäste?«
Brigitte Girand nahm Beatrice’ kleine Reisetasche, während ihr Mann, der ein wenig hinkte, den Gast durch den Flur führte und an eine Tür im vorderen Bereich des Hauses klopfte. »Elle est arrivee!«, rief er. Dann öffnete er die Tür und trat zurück, um Beatrice hineinzulassen.
Sie kam in ein kleines Wohnzimmer. Ein Mann erhob sich von seinem Stuhl an einem Schreibtisch. Als er sie sah, erstarrte er, sein Gesicht war eine Maske des Schocks.
»Hallo, Rafe«, begrüßte sie ihn auf Englisch.
»Bea«, brachte er schließlich entsetzt hervor. »Was zum Teufel machst du hier?«
»Ich bin gekommen, um dir zu helfen«, antwortete sie. »Du scheinst nicht sehr erfreut zu sein, mich zu sehen.«
Mit einem plötzlichen Aufschrei durchquerte er den Raum und nahm sie in seine Arme. Sie klammerten sich fest aneinander – wie an das Leben selbst. Beatrice schloss die Augen und atmete seinen vertrauten Duft ein.
Nach ein paar Augenblicken packte er sie an den Schultern und sah ihr ins Gesicht. »Natürlich freue ich mich, dich zu sehen! Aber ich bin auch entsetzt. Ich kann nicht glauben, dass sie dich geschickt haben.« Seine Stimme klang rau und leidenschaftlich. »Du musst wieder zurück nach London. Wir sagen ihnen, dass es zu gefährlich ist. Wie haben sie dich dazu überredet?«
»Haben sie gar nicht. Man hat mich nicht unter Druck gesetzt. Sie haben mir erklärt, es wäre eine Arbeit als Kurier, und ich hab gesagt, dass ich es machen will. Als ich gehört habe, dass ich mit dir … Es gab es keine andere
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