Das Bienenmaedchen
Entscheidung war ihr also abgenommen.
Sie musste wohl trotz der Schmerzen ein paar Stunden geschlafen haben, denn das Licht, das vom Fenster kam, war plötzlich heller, und Straßengeräusche drangen an ihre Ohren.
Kurz darauf wurde die Zelle aufgeschlossen, und zwei Polizisten kamen herein.
»Aufstehen!«, befahl einer von ihnen auf Englisch.
Sie schlüpfte wieder in ihre Rolle. »Excusez-moi?«
»Aufstehen, hab ich gesagt!« Er zerrte sie auf die Füße. Sie schrie auf, merkte aber, dass sie fast stehen konnte, wenn er sie festhielt.
»J’ai mal à ma cheville« , rief sie und zeigte auf ihren Knöchel. »J’ai besoin de voir un médicin.«
»Später«, sagte er. »Ich glaub nicht, dass er gebrochen ist.«
Sie packten sie von beiden Seiten an den Armen und führten sie aus dem Gefängnis über den Platz in ein düsteres dreistöckiges Haus, vor dem weitere Gestapo-Männer Wache hielten.
Sie wurde in einen Raum gebracht, wo ein höherer Offizier mit einem breiten, fleischigen Gesicht hinter einem großen Schreibtisch saß. Davor stand ein Stuhl, auf den die Männer Beatrice herunterdrückten. Der Mann zog einen Schreibblock zu sich heran und griff nach einem teuer aussehenden Füllfederhalter.
»Gut«, sagte er auf Englisch und musterte sie in aller Ruhe. »Jetzt reden wir. Sagen Sie mir, wie Sie heißen.«
»Je ne parle pas l’anglais«, entgegnete sie und schaute ihm in die Augen, die von einem sehr hellen Blau waren. Das Weiße darin war von Müdigkeit gerötet.
»Es ist zwecklos, uns etwas vormachen zu wollen«, sagte er gereizt. »Wir wissen, dass Sie Engländerin sind.«
Beatrice blieb in ihrer Rolle als Paulette. »Je ne comprends pas«, beharrte sie. »Parlez frangais.«
Er seufzte. »Also spielen wir es auf Ihre Weise. Bien. Parlons franqais.« Seine nächsten Worte brachten sie aus dem Konzept. »Sie kennen Andre Mansart?«, fragte er sie auf Französisch.
Andre. Der Mann im Café. Er konnte nur ihn meinen.
Sie tat so, als würde sie nachdenken. Jeder Nerv in ihrem Körper war alarmiert. Was war die beste Antwort? »Nein«, erwiderte sie.
»Ich glaube doch.«
»Nein.«
»Wie heißen Sie?«
»Paulette«, antwortete sie.
»Paulette«, wiederholte er kopfschüttelnd. Er zog die Kappe von seinem Füller und schrieb eine Notiz auf seinem Block. »Paulette wer? Und wo leben Sie?«
Sie antwortete nicht. Sie musste zwar immer noch vorgeben, Madame Girands Cousine zu sein, sollte aber nicht zu eifrig Informationen von sich geben.
»Mademoiselle, ich muss Ihnen sagen, dass wir bereits mehr über Sie wissen, als Sie glauben. Wenn Sie mir wahrheitsgemäß antworten, werden Sie feststellen, dass alles einfach und unkompliziert ist und Sie vielleicht sehr bald nach Hause kommen.«
Beatrice hielt das für äußerst unwahrscheinlich, aber vielleicht war es einen Versuch wert, eine Weile so zu tun, als ginge sie darauf ein, um zu sehen, was passieren würde.
»Mein Name ist Paulette Legrand«, sagte sie zögernd. »Ich lebe bei meiner Familie in Nexon.«
»Was machen Sie dann bei …« Er blätterte in seinem Notizblock zurück. »Bei den Girands in Saint Pardoux? Es ist zwecklos, zu leugnen, dass Sie da wohnen. Wie wir erfahren haben, waren Sie letzte Nacht dort.«
»Ich bin für eine Weile zu meiner Cousine gezogen, um ihr mit dem Café zu helfen. Ihr Mann ist krank und kann nicht mehr viel tun. Sie braucht Hilfe, und meine Mutter hat mich geschickt.«
»Und der Name Ihrer Mutter lautet …?«
»Felice.«
»Und Ihre Adresse in Nexon?«
»19 Rue Saint Juste.«
Er legte seinen Füller auf den Tisch und sagte, immer noch auf Französisch: »Ich glaube, wir werden herausfinden, dass es keine Straße mit diesem Namen gibt. Also, warum hören Sie nicht auf, sich zu verstellen? Wir wissen, dass Sie Engländerin sind!«
In ihrem Kopf begann es stärker zu pochen, aber sie zwang sich, den Deutschen weiterhin anzusehen.
»Nein. Sie irren sich. Ich bin Paulette.«
»Und wieso ist Paulette mit einem britischen Spion davongerannt? Warum hat sie eine Pistole, hm? Und wo hat sie gelernt, damit umzugehen?«
»Ich sage nichts mehr«, erwiderte sie. »Sie sprechen in Rätseln und glauben mir nicht, wenn ich die Wahrheit sage.«
»Was ist die Wahrheit?«
»Dass ich Französin bin. Dass ich Paulette heiße.«
»Ja, ja, und Paulette hat einen Helden des deutschen Volkes getötet. Sie sind nicht das unschuldige junge Mädchen, das Sie vorgeben zu sein.«
»Wenn Sie mir nicht glauben, sag ich nichts
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