Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
Vom Netzwerk:
mehr. Außer, dass ich einen Arzt brauche. Mein Knöchel ist wirklich sehr geschwollen.«
    »Ja, ja. Dann werden Sie sich wohl auch nicht besonders aufregen, wenn ich Ihnen erzähle, dass die Leiche des Mannes, mit dem Sie zusammen waren, letzte Nacht aus dem Fluss gezogen wurde.«
    Beatrice erstarrte, eine Stimme kreischte in ihrem Kopf: Er ist tot. Rafe ist tot! Nein, das war ein Trick, es musste einer sein! Sie zwang sich zu einem Schulterzucken und hörte sich selbst sagen: »Ich weiß nicht, wen Sie meinen.«
    Der Mann schien es aufzugeben. Er schraubte die Kappe wieder auf seinen Füllfederhalter, stand auf und ging zur Tür. Er öffnete sie und sprach mit jemandem, der draußen wartete. In dem kurzen Augenblick, als sie dem Blick des Deutschen entzogen war, kämpfte sie um ihre Selbstbeherrschung. Rafe war nicht tot! Sie weigerte sich, das zu glauben. Es war für sie die einzige Möglichkeit, durchhalten zu können.
    Sie brachten Beatrice zurück in die Zelle und warfen sie auf die Matratze. Aber sie hatten offenbar beschlossen, sie nicht in Ruhe zu lassen. Alle paar Minuten kam jemand, um sie zu stören. Zuerst die Frau, die sie in der Nacht zuvor durchsucht hatte. Sie brachte Wasser, Brot und eine Schüssel mit fettiger Suppe, die Beatrice nicht essen konnte. Dann erschien ein Wärter, der sich in der Zelle umsah, als wolle er überprüfen, dass sie nicht fliehen konnte. Endlich kam auch der Arzt, ein alter Franzose mit schütteren silbergrauen Haaren. Er hatte Angst vor den Wachen und sah ihr nicht in die Augen. Zuerst untersuchte er ihren Kopf an der Stelle, wo sie getroffen worden war, schimpfte über den Zustand ihres Knöchels, hantierte daran herum und brachte sie zum Stehen. Er glaube nicht, dass etwas gebrochen sei, erklärte er zum Schluss und ordnete einen kalten Umschlag an, damit die Schwellung zurückging. Die Wärterin versuchte ihn daran zu hindern, eine Bandage anzulegen.
    »Ich werde mich schon nicht daran aufhängen«, sagte Beatrice verärgert, und schließlich gab die Frau nach.
    »Hier haben Sie Aspirin gegen die Schmerzen«, murmelte der Arzt, als er seine Tasche zusammenpackte. »Ich werde nachfragen, ob ich morgen wiederkommen kann.«
    Morgen. Beatrice verlor allmählich jedes Zeitgefühl. Sie legte sich hin, um so viel Schlaf zu bekommen, wie sie nur konnte. Kurz darauf, wie ihr schien – wahrscheinlich war es schon später Nachmittag –, beorderte der Gestapo-Offizier sie erneut zum Verhör. Sie hielt hartnäckig an ihrer Geschichte fest.
    Als sie diesmal zur Zelle zurückkehrte, hörte sie erfreut, wie der Soldat, der sie eskortierte, zu der Wärterin sagte: »Résistance.« Wenn es ihr gelungen war, ihnen einen Zweifel daran einzuflößen, dass sie Engländerin war, dann hatte sie ihre Sache gut gemacht. Ihr Leben mochte nach wie vor an einem seidenen Faden hängen, aber sie hatte die anderen nicht verraten! Und die Deutschen würden sie vielleicht besser behandeln, wenn sie sie für ein rebellisches französisches Mädchen hielten und nicht für eine britische Agentin.
    Ihre Erleichterung wurde rasch erstickt. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, wurde sie aus ihrer Zelle zu einem wartenden Auto gebracht.
    Man teilte ihr mit, dass sie nach Paris überführt würde.
    Und dann wurde der Albtraum immer schlimmer.
    Nach einer zermürbenden Fahrt über zweihundert Meilen durch Frankreich bog der Wagen in eine lange, von Bäumen gesäumte Allee ein, die vor den schweren Toren eines monströsen Gefängnisgebäudes endete. Dort gab sie als ihren Namen Paulette Legrand an. Sie schrieben es in ihr Buch. Eine plumpe Frau in grauer SS-Uniform marschierte mit Beatrice einen unterirdischen Gang entlang und dann eine lange metallene Treppe hoch, von der viele Etagen mit Gängen abzweigten, die alle mit Eisenstangen abgesperrt waren. Durch einen dieser Korridore gingen sie hinunter zu einer jämmerlich kleinen Zelle. Dort zog die Frau sie nackt aus und durchsuchte sie, anschließend gab sie Beatrice verschiedene Kleidungsstücke aus grobem Stoff und befahl ihr, sie anzuziehen. Als Beatrice fragte, ob sie ihre Unterwäsche behalten dürfe, versetzte ihr die Frau als Antwort einen Schlag ins Gesicht. Mit einem Klirren schloss sich die Tür, dann war sie allein.
    Diese Zelle war schlimmer als die vorige. Sie war zugig, denn das winzige Fenster war zerbrochen, und der Putz schälte sich von den feuchten Wänden. Es gab ein eisernes Bettgestell mit einer klumpigen Matratze, einen wackeligen Stuhl

Weitere Kostenlose Bücher