Das Bienenmaedchen
einer Stunde wurde die Nachricht weitergegeben, dass die Sirenen Entwarnung gegeben hatten. Die nur vorübergehenden Bewohner standen nach und nach auf und packten ihre Habe zusammen. Als Beatrice und Guy am Leicester Square herauskamen, sahen sie, dass der Platz völlig von den Bomben verschont geblieben war. Dougie und Judy warteten schon auf sie, dort, wo die Gitter gewesen wären, wenn die Behörden sie nicht abgebaut hätten, um sie als Metallschrott weiterzuverwerten.
»Wir sind davon ausgegangen, dass ihr uns findet«, sagte Dougie. »Ich weiß ja nicht, was ihr denkt, aber ich würde sagen, dass wir für heute Nacht das Beste gesehen haben. Wollt ihr Mädels vielleicht mit uns kommen? Wir pennen bei einem Kumpel in der Nähe vom Manchester Square.«
»Ich bin dabei«, sagte Judy. »Was ist mit dir, Beatrice?«
»Ist das weit? Und was ist mit der Hausmutter? Wir müssten schließlich auch wieder nach Bloomsbury zurück«, sagte Beatrice. Falls die Hausmutter merkte, dass sie die ganze Nacht unterwegs gewesen waren, würden sie einen ordentlichen Rüffel bekommen.
»Ehrlich, diese Frau behandelt uns wie Kinder«, beschwerte sich Judy, aber es klang halbherzig.
»Es ist nur ein kleines Stück nördlich der Oxford Street. Von euch aus praktisch um die Ecke«, bettelte Dougie. »Wir werden dafür sorgen, dass ihr sicher nach Hause kommt, das verspreche ich.«
Es ging auf Mitternacht zu, als sie aus dem Taxi stiegen. Es war stockdunkel. Blecherne Tanzmusik waberte durch die neblige Luft, und als sich eine Tür öffnete, um Partygäste auszuspucken, fiel kurz ein Streifen von gedämpftem gelbem Licht auf den Bürgersteig. Lange genug jedoch, dass Beatrice eine Zeile weiß gestrichener Reihenhäuser erkennen konnte, von denen das letzte auf der linken Seite kein Dach mehr hatte. Es sah aus wie ein abgebrochener Zahn und war dem Himmel ungeschützt ausgesetzt.
Dougie klopfte an eine Tür rechts neben dem Partyhaus. Nichts rührte sich.
»Perry ist nicht da«, sagte er zu den anderen. Er fasste unter einen Blumenkasten, holte einen Schlüssel hervor und öffnete die Tür.
»Er hat uns gezeigt, wo alles ist. Machen wir es uns also gemütlich. Ah, bitte sehr, kommt rein.« Sie betraten einen Flur. Dougie versuchte, das Licht anzuknipsen, aber es funktionierte nicht. Sie gingen weiter durch eine Tür zur Linken.
Das musste einmal ein beeindruckendes Haus gewesen sein, stellte Beatrice fest, als sie sich im Salon mit seinen zerbröckelnden Putzornamenten und verschossenen Samtvorhängen umschaute. Nun roch es entsetzlich nach Feuchtigkeit. In der vorderen Wand war ein großer Riss, und die gestreifte Tapete war dunkel vom Schimmel. Die Musik von der Party nebenan drang durch die gemeinsame Wand, mal ebbte sie ab, mal strömte sie herein.
Dougie verschwand, und als er zurückkam, hielt er zwei Halbliterflaschen Whisky gegen seine Brust gedrückt. Guy hatte in der Zwischenzeit Licht gemacht und einen Elektroofen eingeschaltet. Die Mädchen ließen sich schließlich dazu überreden, ihre Mäntel aufzuknöpfen. Dougie schüttete Whisky in Gläser und setzte sich auf eines der Sofas, wo sich Judy an ihn schmiegte, während Guy und Beatrice sich die andere Couch teilten. Guy brütete unglücklich vor sich hin, und Beatrice fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie nach Hause gehen konnte.
Nachdem Dougie alle Gläser nachgefüllt hatte, zog er Judy zu Beatrice’ Entsetzen auf die Füße und verkündete: »Wir machen nun einen kleinen Ausflug. Wir sehen uns später, nehme ich an.«
Beatrice und Guy hörten, wie die beiden geräuschvoll die Treppe hochstapften. Judy kreischte vor Lachen, dann wurde eine Tür zugeschlagen. Allein mit einem Fremden kauerte Beatrice sich in eine Ecke des Sofas. Ihr fiel nichts ein, was sie hätte sagen können. Guy räusperte sich und rückte ein wenig näher.
»Sollen wir?«, fragte er. »Wenn du möchtest …?«
Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er meinte. Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Nein«, sagte sie. »Nein.«
Guy sah erleichtert aus. »Hab ich mir gedacht.«
»Es ist bloß … Ich bin nicht so …«, stammelte Beatrice.
Er lächelte, und all seine Nervosität war wie weggeblasen. Wie nett er aussieht, dachte sie nun.
»Dem Himmel sei Dank«, sagte er. »Ich fürchte, ich bin ein bisschen überfordert mit Mädchen wie Judy.«
»Ich mag sie schrecklich gern«, sagte Beatrice. Ihr Gesicht glühte vom Whisky und von der Aufregung.
Guy zündete
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