Das Bienenmaedchen
später trafen sie sich zum Abendessen in einem belebten Restaurant oberhalb der Regent Street. Beatrice genoss das unbefangene Gespräch mit ihm. Sie war beeindruckt von seiner ruhigen Charakterstärke und seinem schlichten Anstand. Er sprach voller Sympathie von den Männern, die er anführte, und sie spürte seine Hingabe. Sie fand es liebenswert, wie unerschütterlich er daran glaubte, dass das Recht über die Gewalt siegen würde, dass sie diesen Krieg erfolgreich beenden würden. Beatrice wollte ihm nur zu gern glauben.
Sie selbst erzählte von ihrer Arbeit, von den langen Nächten vor den Luftschutzkellern, von den Tagen, an denen sie beinahe umfiel vor Müdigkeit. Sie schilderte, wie sie manchmal den Rettungskräften half, obwohl sie sich kaum dazu überwinden konnte, manches zu beschreiben, was sie gesehen hatte. Das Schlimmste war, als ein Familienschutzraum im Garten einen direkten Treffer abbekommen hatte. Mary und sie waren kurz darauf dort vorbeigefahren und hatten angehalten, um zu helfen. Den Anblick der verstümmelten Leichen der drei kleinen Kinder, die auf dem Bürgersteig neben ihrer toten Mutter lagen, würde sie nie mehr vergessen.
»Der Vater kam von der Arbeit nach Hause, als wir gerade das kleine Mädchen heraustrugen …« Beatrice schüttelte den Kopf und konnte nicht mehr weitersprechen. Dennoch – durch Guys aufmerksamen Gesichtsausdruck und die zärtliche Art, mit der er ihre Hand berührte, spürte sie, dass er sich bemühte, sie zu verstehen, und das war alles, was sie brauchte.
Nach diesem Abend trafen sie sich, wann immer es ging, obwohl das nicht leicht war. Einmal erschien er überhaupt nicht an ihrem Treffpunkt. Nachdem sie zwei Stunden auf ihn gewartet hatte, kehrte Beatrice zum Wohnheim zurück. Sie verbrachte eine Nacht voller Sorgen, nur um am nächsten Morgen zu erfahren, dass er stundenlang in einem Zug festgesteckt hatte und keine Verbindung zu ihr hatte aufnehmen können. Sie war verwirrt, als ihr bewusst wurde, wie sehr sie sich inzwischen auf ihre gemeinsame Zeit freute. Es war nicht so, dass sie Rafe vergessen hätte – ganz im Gegenteil. Sie trug ihre Liebe zu ihm tief in ihrem Innern, zusammen mit einem fortwährenden Gebet für seine Sicherheit. Und immer musste sie sich daran erinnern, dass Rafe Angie gehörte.
Guy beruhigte sie und vermittelte ihr Beständigkeit. Dies war eine sanfte Liebe, die für sie mehr auf Freundschaft als auf Leidenschaft beruhte. Doch an seinen verlangenden Blicken, mit denen er sie ansah, erkannte sie, dass Guy sie begehrte, und an seiner zärtlichen Besorgtheit, dass seine Gefühle tief waren. Nach und nach begann sie, seine Gefühle zu erwidern und sich nach ihren Treffen zu sehnen.
Ende Februar 1941 deutete er an, dass sich seine Kompanie bald in Bewegung setzen würde.
»Ich kann noch nicht sagen, wann«, sagte er. »Aber so wird gemunkelt.«
Von nun an fühlten sich ihre Treffen kurz erhascht und intensiv an. Jeder gemeinsame Augenblick konnte vielleicht für lange Zeit der letzte sein.
Ein- oder zweimal ging sie mit ihm zu Perrys Haus, wo er und Dougie wohnten, wenn sie nach London kamen. Einmal traf sie Perry. Er war ein abgespannter junger Mann mit schmalem Gesicht, der nachts bei der Flugabwehr arbeitete. Das erklärte, weshalb er so selten zu Hause war. Obwohl Guy und sie sich auf Perrys Sofa leidenschaftlich umarmten, tat er niemals etwas, das ihre Freundin Mary als »zu weit gegangen« bezeichnen würde. Da sie von einigen ATS-Mädchen Geschichten gehört hatte, wunderte sich Beatrice darüber. Aber sie war zu unerfahren in diesen Dingen, um mit ihm darüber zu sprechen, und unsicher, wie man sich dabei zu verhalten hatte. Später, wenn sie sich in ihrer Koje gemütlich in ihre schmale Decke kuschelte, brannte sie vor Verlangen nach ihm, und es dauerte eine Weile, bis sie sich beruhigt hatte und schlafen konnte.
Kurz nach der zweiten dieser Gelegenheiten fragte er sie nervös, ob sie mit ihm eine kleine Reise unternehmen würde, und sie willigte ein. An einem Samstagmorgen Mitte Februar nahm sie einen Zug nach Hastings. Die Landschaft, durch die sie fuhr, funkelte im Frost. Er stand auf dem Bahnsteig, um sie abzuholen. Obwohl sie sich ziemlich gelassen bei ihm unterhakte, war ihr schlecht vor Nervosität.
»Hast du Hunger?«, fragte er.
»Ein bisschen«, log sie. Kurz darauf stocherte sie in einem Restaurant an der Hauptstraße glücklich in einem fish pie herum und sah ihm zu, wie er mit Appetit einen steak
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