Das Biest in ihm (German Edition)
Warnung.
Heinrich knotete ihn ab. Die vor Dreck starrenden Seidentuchfetzen hatte n Mansche t ten. Ein edles Leichentuch, für einen verwahrlosten Alten mit Läusen im ve r filzten Bart. Er wickelte den Stoff um den geschändeten Hals. Die Latte blieb im Rücken. Der Kerl wäre steif wie ein Morgenschwanz , aber die M ü he, den Nagel aus dem alten Schädel zu hebeln, wollte Heinrich nicht auf sich nehmen. Neben ihm, im Sozius, würde der Alte ihn auf seiner letzten großen Fahrt begleiten.
Ninas Zusammenbruch unter der Dusche war exakt zwei Stunden her. Jetzt stand sie mit zitternden Beinen vor der Altbauvilla in einer todschicken Gegend, u m klammerte das fremde Portemonnaie und kämpfte mit der Entscheidung, den Briefkasten einem Wi e dersehen mit Vincent vorzuziehen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm in die Augen sehen sollte. Er konnte von ihren Träumen nichts wissen , aber sie hatte Angst, dass sie ihr auf der Stirn standen.
Es konnte doch nicht so schwer sein, eine quietschende Gartentür aufzust o ßen, und wenn sie zehnmal aus Gusseisen war und antike Patina angesetzt hatte . Der Weg über hochgefrorene Platten bis zur zwe i flügligen Eingangstür war auch zu lang.
Er will mich, er will mich nicht, er nimmt mich, er nimmt mich nicht …
Von jenseits der Tür drang lautes Frauenkeifen. Also doch der Briefkasten. Sein breites Maul grinste sie an. Es wollte gefüllt werden. Sie aber auch und das Zetern dieser Frau stand zwischen ihr und der Erfüllung ihrer Sehnsüc h te.
Fabius/Zuchard. Die Schrift war schwungvoll, strotzte vor Energie und Kraft. Sicher war das Vincents Handschrift. Wer war Zuchard? Eine neutrale Mi t bewohnerin, die zur Untermiete wohnte. Die nichts mit Vincent zu tun hatte . Die seine unerträgliche Attrakt i vität nicht wahrnahm, weil sie auf Frauen stand oder Vorsi t zende im Kirchenrat war.
Nina hatte den Finger bereits auf dem Messingknopf, als das Keifen immer näher kam. Die Tür wurde aufgerissen und Nina sprang mit einem gewagten Satz über gestutzte Buchsbäumchen hinter die Hau s ecke. Ihr Herz schlug ihr bis in den Hals, als sie sich dicht an die kühle Hauswand drängte. Der raue Putz bröselte unter ihren Fingern und ihre Gedanken zogen stetige Kreise um ein und dasselbe Th e ma. Was würde geschehen, wenn sie vor ihm stand ?
Etwas bewegte sich. Raschelte unter den Stechapfelsträuchern und steckte seinen get i gerten Kopf durch die spitzkantigen Blätter. Leuchtend grüne Augen sahen Nina pr ü fend an.
„Hi Katze. Ich bin Nina. Und ich benehme mich wie ein Idiot.“
Das Tier sprang auf sie zu, streckte sich ausgiebig und schnurrte ihr um die nackten Beine. Nina schlich hinter ihr her in den Garten. Wie wundervoll der Flieder duftete. Schwer und süß wie ein melancholischer Traum. Das Gras stand so hoch, dass es am Knöchel kitzelte. Alte Bäume, ein windschiefer Schuppen und eine Efeu überwucherte Gartenmauer überzeu g ten Nina, im Paradies zu sein.
Gerade wollte sie einen Blick in den Schuppen werfen, als sie aus dem Kellerau f gang jemanden schimpfen hörte. Leise schlich sie die Außentreppe hinu n ter. Die Kellertür war angelehnt. Vorsichtig öffnete sie die Tür etwas weiter und schaute hinein. Ein süß er, w i derlicher Geruch schlug ihr entgegen. Als sie sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatte , e r kannte sie in der Ecke des Kellerraumes Vincent. Er stand mit dem Rücken zu ihr über einen großen Müllsack gebeugt und hantierte mit etwas Großem, Schwerem, das offe n bar entsorgt werden sollte.
„Drecksvieh! Das nächste Mal lasse ich nicht so viel übrig.“
Geschmeidig richtete er sich auf, stemmte die Hände in den Rücken und stöhnte. Nina war mucksmäuschenstill . Auch, als er sich sein Shirt fluchend über den Kopf zog und ihr den uneingeschränkten Blick auf seinen muskulösen Rücken g e währte. Die Vision, ihn zu lieben , wirkte plötzlich so real, dass sie seinen Schweiß auf ihrer Haut fühlen kon n te . Sie schaffte es für glorreiche zwei Sekunden , ihre Aufmerksamkeit auf das Schu h regal an der Wand neben ihr zu richten. Länger ging es beim besten Willen nicht. Dann nahm sie der Anblick dieses verboten definierten Körpers wieder gefangen. Als sie sicher war, die Nä s se seiner Haut auch zu schm e cken, schloss sie die Augen.
„Paul bringt mich um, wenn er das sieht.“
Vincent betrachtete das besudelte Shirt und ließ es achtlos n e ben den Müllsack fallen. Es war zum Auswachsen. Was hatte ihn in dieser
Weitere Kostenlose Bücher