Das Biest in ihm (German Edition)
Vincent schon seit geraumer Zeit und hatte sich immer noch nicht durchri n gen können, die Scheine auf den Tisch zu legen und mit seiner Granitechse zu ve r schwinden.
„Warum ist die Nase ab?“
„Da war noch nie eine Nase dran.“
Er schlich um die Skulptur und wackelte unschlüssig mit dem Kopf. „Und was soll di e ser Knubbel da?“ Mit spitzem Finger stocherte er auf einer der Nüstern herum.
„Nasenlöcher.“ Vincent atmete tief durch . Ruhe bewahren.
„Wie? Löcher ohne Nase?“ Krause stieß scharf die Luft aus. „Sieht aus wie abgebr o chen.“
„Sie müssen ihn nicht kaufen, wenn er Ihnen nicht gefällt.“ Lieber würde er sich den Drachen ans Bett stellen, als diese Nölerei länger zu ertragen.
Krauses Wurstfinger betasteten die Augenlider, fuhren über die Brauenwulste und hopsten schließlich die Nasenzacken hinunter bis zur halb geöffneten Schnauze. In Vi n cent begann es zu knurren.
„Mächtige Zähne hat das Tier.“
Er hätte ihm gern gesagt, dass seine unter gewissen Umständen noch beei n dru ckender waren.
„Was ist mit diesen Bartzotteln am Kinn?“
„Drachen haben keine Bärte, Herr Krause.“
Krause ging schnaufend in die Hocke, wobei seine Hose an Schenkeln und Hintern g e fährlich spannte, und besah sich das Maul von unten. „Na die da!“ Keuchend wies er auf zwei eindrucksvolle Kinnla p pen.
„Das sind Hautlappen. Sie dienen dem Anlocken von Weibchen. Ähnlich wie das bu n te Gefieder einiger Vogelarten. Je größer und bunter , desto …“
Krause verzog den Mund. „Ist ja eklig!“ Er knautschte sein Gesicht und schlich um den Drachen. Sicher war ihm nur der Preis zu hoch. „Mir schwebte etwas mit Flügeln vor, wissen Sie?“ Er hakte seine Daumen ineinander und ließ seine Finger flattern. „Di e se kleinen gezackten Dinger am Rücken und nicht etwas mit so einem riesigen Schwanz. Wie soll ich den ins Auto kri e gen?“
„Der Schwanz muss so sein. Der Drache ist groß. Also braucht er auch einen großen Schwanz zum Le n ken.“
„Lenken?“
„Beim Fliegen.“
„ Der ist aus Stein!“
„Trotzdem braucht er einen langen Schwanz.“
Mit in die Hüften gestemmten Händen baute er sich vor Vincent auf. „Wollen Sie mich verarschen?“
„Nein.“ Die Figur ruhte im Stein, lange bevor Vincent den Meißel ansetzte. Hatte sie einen langen Schwanz, ließ sich das nicht ändern. Menschen wie Krause würden das nie verstehen.
„Machen Sie mir einen neuen.“ Seine kleinen Augen leuchteten vor Stolz auf diese gute Idee. „Einen k leineren. Mit Nase, Flatterflügeln , aber ohne diesen Riesenschwanz und ganz bestimmt ohne die Hau t dinger am Kinn.“
Sein geschäftstüchtiges Lächeln prallte an der Eiswand ab, die Vincent gedan k lich um sich errichtet hatte .
„Ein Stummelschwänzchen mit Zacke am Ende. Das wäre doch nett!“
Vincent musste lachen. Krause brauchte, ebenso wie er selbst, den Wiedererkennung s wert in den Dingen, die ihn umgaben.
„Sie nehmen diese Skulptur oder Sie lassen es. Flatterflügel und Stummelschwänze produziere ich nicht. Entscheiden Sie sich. Ja oder nein. Es ist ganz ei n fach.“
„Ist es das?“
Vier sprechende Kleiderschränke tauchten in d er Galerie auf. Der f ünfte entsprach e her einer Kommode. Nacheinander zwängten sie sich durch die Tür. Der, der zum Spr e chen fähig war, war mit Abstand der Größte und Breiteste, und schien auch der Älteste zu sein. D ichtes , dunkelblondes Haar umrahmte ein Löwengesicht wie eine Mähne.
„Kann ich euch helfen?“ Dass potenzielle Kunden unangekündigt kamen, g e schah so gut wie nie. Was wollten d ie von ihm?
„Sicher kannst du das.“ Das Löwengesicht lächelte auf eine Art, die ihm bekannt vo r kam. Das Hoc h ziehen der Lippe auf nur einer Seite.
„Aber klär das hier erst mal.“ Er tätschelte den zackenüberzogenen Rücken des Dr a chen und nickte ane r kennend. „Ein feines Stück . Alle Achtung . “ Seine Lippe zog sich noch höher. „Du kennst dich mit solchen Biestern aus, was?“
Sein unheilvolles Grinsen und diese Körpermasse … Die Kerle aus dem Wald! Es war zu dunkel gewesen, um viel erkennen zu können.
„Der Faun im Schuppen da draußen ist geil . “ Die Kommode stemmte sich auf das Fensterbrett, das unter ihrem Gewicht knackte. „Der fetzt noch mehr als dieses Echsentier hier.“
Also waren diese IKEA-Ausstellungsstücke in sein Allerheiligstes vorgedru n gen. Das war ein Fehler. Hinter seinen Lippen fühlte er immer
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