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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mitten hinein ins kalte Wasser sprangen. Hump McDaniels versuchte, zu einer Art Frau
ehrenhalber zu werden, das war alles. In seinem Leben als Cop hatte
Norman erleben können, wie sich Schleimbeutel in leidenschaftliche Drogengegner, Jesus-Freaks und Perot-Partisanen verwandelt
hatten. Im tiefsten Innern blieben sie selbstverständlich die engstirnigen Arschlöcher, die sie immer gewesen waren, und sangen
das alte Lied nur in einer anderen Tonart. Doch das war nicht wichtig. Wichtig war nur, daß sie allgegenwärtig waren und ständig an
den Rändern jeder Szene hingen, zu der sie gehören wollten. Sie
waren wie Präriegrasbüschel in der Wüste oder Eiszapfen in
Alaska. Daher glaubte er, jawohl, daß Hump auch als Hump akzeptiert werden würde, selbst wenn sie nach Inspektor Daniels Ausschau hielten. Selbst die Zynischsten unter ihnen würden ihn
wahrscheinlich höchstens als geilen Krüppel abtun, der den Typ
»empfindsamer, fürsorglicher Mann«, spielte, damit er sich an
einem Samstagabend eine Frau für ein Nümmerchen aufreißen
konnte. Mit etwas Glück würde Hump McDaniels so auffällig sein
und doch unbemerkt bleiben wie der Kerl auf Stelzen, der bei der
Parade zum vierten Juli Onkel Sam spielt.
    Darüber hinaus war der Plan denkbar einfach. Er würde die
größte Konzentration von Frauen aus dem Heim suchen und sie als
Norman Daniels von der Seitenlinie aus beobachten - ihre Spiele,
ihre Gesprächsrunden, ihr Picknick. Wenn jemand ihm einen Hamburger oder einen Maiskolben oder ein Stück Kuchen brachte, was
eine wohlmeinende Fotze zweifellos tun würde (man konnte ihnen
den Drang, dem Mannsvolk Essen zu bringen, einfach nicht austreiben - das war ein Instinkt, bei Gott), dann würde er es dankend
annehmen und jeden Bissen davon essen. Er würde nur sprechen,
wenn er angesprochen würde, und wenn er zufällig ein Plüschtier
beim Ring- oder Ballwerfen gewinnen sollte, würde er es einem
kleinen Kind schenken … aber peinlich genau darauf achten, daß er
dem kleinen Racker nicht den Kopf tätschelte; selbst damit konnte
man heute wegen Kindesmißbrauch belangt werden.
    Aber sonst würde er ausschließlich beobachten. Nach seiner
Rambling Rose Ausschau halten. Das konnte er problemlos tun,
wenn er als Teil des Geschehens akzeptiert worden war; er war
Weltmeister im Beobachten. Hatte er sie entdeckt, konnte er die
Angelegenheit gleich hier am Pier bereinigen, wenn er wollte; er
mußte nur warten, bis sie aufs Töpfchen ging, ihr folgen und ihr
den Hals umdrehen wie einem Suppenhuhn. Es würde innerhalb
von Sekunden vorbei sein, und genau da lag das Problem. Er wollte nicht, daß es innerhalb von Sekunden vorbei sein würde. Er
wollte sich Zeit nehmen können. Ein nettes, gemütliches Gespräch
mit ihr fähren. Wollte sich alles berichten lassen, was sie erlebt
hatte, seit sie einfach mit seiner BankCard in der Tasche auf und
davon war. Die ganze Wahrheit, sozusagen, von A bis Z. Beispielsweise könnte er sie fragen, was sie empfunden hatte, als sie seine
Geheimzahl eintippte, und ob sie gekommen war, als sie sich
gebückt hatte, um das Geld aus dem Automaten zu ziehen - das
Geld, für das er gearbeitet, das er verdient hatte, indem er nächtelang wachgeblieben war und Schleimbeutel verhaftete, die anständigen Menschen alles mögliche antun würden, wenn Leute wie er
sie nicht daran hinderte. Er wollte sie fragen, wie sie sich je einbilden konnte, sie würde ungeschoren davonkommen. Wie sie sich je
einbilden konnte, sie hätte ihm entkommen können.
    Und wenn sie ihm alles gesagt hatte, was er hören wollte, würde er mit ihr reden.
Nur daß reden vielleicht nicht ganz das richtige Wort dafür
war, was er vorhatte.
Punkt eins war, sie aufzuspüren. Punkt zwei war, sie aus
gebührender Entfernung zu beobachten. Punkt drei war, ihr zu folgen, wenn sie genug hatte und die Party verließ… wahrscheinlich
nach dem Konzert, vielleicht auch schon früher, wenn er Glück
hatte. Wenn sie das Gelände des Freizeitparks hinter sich gelassen
hatten, konnte er den Rollstuhl wegwerfen. Es würden Fingerabdrücke darauf sein (mit einem Paar Motorradhandschuhen hätte
sich dieses Problem vermeiden und Hump McDaniels noch glaubwürdiger darstellen lassen, aber er hatte nicht viel Zeit gehabt,
ganz zu schweigen von seinen gräßlichen Kopfschmerzen, seinen
»Speziellen«), doch das machte nichts. Er hatte eine Ahnung, als
würden Fingerabdrücke danach sein geringstes Problem sein.
Er wollte sie bei ihr zu Hause haben, und

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