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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Lichtung dringen würden, und kam zu dem
Schluß, daß sie laut genug waren. Sie konnte fast vor sich
sehen, wie das Tier auf der Lichtung lag, den Schwanz über
den schlafenden, satten Jungen zusammengerollt, mit
gespitzten Ohren die Schreie der Menschen am Strand hörte,
und sich mit ihren strahlenden und verschlagenen Augen
umsah, in denen man sich gut den Wahnsinn vorstellen
konnte.
Die Rüden gehen ziemlich schnell ein, aber Füchsinnen können
die Tollwut lange mit sich herumschleppen, dachte Rosie, und
dann mußte sie an die Pilze denken, die sie am Rand der
Wiese gesehen hatte, im Schatten, wo es feucht war. Spinnenpilze, hatte Rosies Großmutter die Pilze genannt, als sie sie
ihr eines Sommers gezeigt hatte, und obwohl Oma Weeks
den Namen mit Sicherheit erfunden hatte - Rosie hatte ihn
mit Sicherheit nie in einem Pflanzenbuch gesehen -, vergaß
sie nie das irgendwie eklige Aussehen der Pilze, das blasse
und wachsähnliche Fleisch mit den zahlreichen dunklen
Flecken, die wirklich ein wenig wie Spinnen aussahen, dachte
sie, wenn man eine ausgeprägte Phantasie hatte … und ihre
war ausgeprägt gewesen.
Füchsinnen können die Tollwut lange mit sich herumschleppen, dachte sie wieder. Die Rüden gehen ziemlich schnell ein, aber…
»Rosie? Ist dir kalt?«
Sie sah ihn verständnislos an.
»Du hast gezittert.«
»Nein, mir ist nicht kalt.« Sie betrachtete die Jugendlichen,
die sie und Bill, weil sie älter als fünfundzwanzig waren, gar
nicht sahen, dann wieder Bill. »Aber vielleicht wird es Zeit,
daß wir zurückfahren.«
Er nickte. »Ich glaube, du hast recht.«
Auf der Rückfahrt zur Stadt war der Verkehr dichter, und als
sie den Skyway verlassen hatten, wurde er noch dichter. Das
hielt auf, aber anhalten mußten sie trotzdem nie. Bill steuerte
mit der schweren Harley durch Lücken, wenn sich welche
auftaten, wobei Rosie sich ein wenig vorkam, als würde sie
auf dem Rücken einer großen, dressierten Libelle fliegen,
aber er ging keine unnötigen Risiken ein, und sie zweifelte
nie an ihm, nicht einmal, wenn er auf dem unterbrochenen
Mittelstreifen zwischen den Fahrspuren fuhr und auf beiden
Seiten große Lastwagen passierte, die wie geduldige Mastodonten Schlange standen und warteten, bis sie die Mautkabinen des Skyway passiert hatten. Als sie die ersten Schilder mit Aufschriften wie STRAND und AQUARIUM und
ETTINGER’S PIER & FREIZEITPARK vor sich sahen, war
Rosie froh, daß sie so früh aufgebrochen waren. Sie würde
rechtzeitig zu ihrer Schicht im T-Shirt-Verkaufsstand kommen, und das war gut. Sie würde Bill ihren Freundinnen vorstellen, und das war noch besser. Rosie war sicher, daß er
ihnen gefallen würde. Als sie unter einem leuchtend rosafarbenen Spruchband mit der Aufschrift SOMMERANFANG
MIT DAUGHTERS AND SISTERS! hindurchfuhren, verspürte Rosie eine Aufwallung von Glücksgefühl, an die sie
sich später an diesem langen, langen Tag des Grauens noch
erinnern sollte.
Sie konnte die Achterbahn sehen, lauter Kurven und ein
kompliziertes Gitter von Streben als Silhouette vor dem
Himmel, konnte die Schreie hören, die wie Dunst davon aufstiegen. Sie drückte Bill einen Moment fester und lachte.
Alles würde gut werden, dachte sie, und als ihr - nur einen
Augenblick - die dunklen und wachsamen Augen der Füchsin einfielen, verdrängte sie die Erinnerung, wie man bei
einer Hochzeit Gedanken an den Tod verdrängt.
    Während Bill Steiner mit seinem Motorrad vorsichtig auf dem
Kiesweg zum Shoreland fuhr, fuhr Norman Daniels sein gestohlenes Auto auf einen riesigen Parkplatz an der Press Street. Der
Parkplatz lag etwa fünf Querstraßen von Ettinger’s Pier entfernt
und bot Zugang zu einem halben Dutzend Attraktionen am Strand
- dem Freizeitpark, dem Aquarium, der alten Straßenbahn, den
Geschäften und Restaurants. Es gab Parkplätze, die näher an diesen Sehenswürdigkeiten und Lokalen lagen, aber Norman wollte nicht naher ran. Es könnte erforderlich sein, daß er diese Gegend
ziemlich schnell verließ, und in dem Fall wollte er nicht im Verkehr
steckenbleiben.
    Die vordere Hälfte des Parkplatzes Press Street war am Samstagmorgen um Viertel vor zehn so gut wie verlassen, nicht gut für
einen Mann, der unauffällig bleiben wollte, aber in der Sektion für
Ganztages- und Dauerparker standen jede Menge Autos, die überwiegend Leuten gehörten, die mit der Fähre nach Norden gefahren
waren, zu Tagesausflügen oder einem Angelurlaub am Wochenende. Norman parkte den Tempo in einer Lücke zwischen

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