Das Bild
große Hand und drückte sie fest.
Als sie diesmal fertig war, sah Gertie Haie an und zog die
Brauen hoch. »Okay?«
»Ja«, sagte Haie. »Ausgezeichnet. Cynthia Engstrom verdankt Ihnen ihr Leben. Wenn Sie ein Cop wären, würde ich
Sie für eine Auszeichnung vorschlagen.«
Gert schnaubte. »Ich würde nie den Eignungstest bestehen. Zu dick.«
»Trotzdem«, sagte Haie ohne zu lächeln und sah ihr in die
Augen.
»Ich weiß das Kompliment zu schätzen, aber was ich wirklich von Ihnen hören will ist, daß Sie den Kerl schnappen.«
»Wir schnappen ihn«, sagte Gustafson. Er hörte sich durch
und durch überzeugt an, und Rosie dachte: Sie kennen meinen
Norman nicht, Officer.
»Sind Sie mit uns fertig?« fragte Gert.
»Mit Ihnen ja«, sagte Haie. »Ich habe noch ein paar Fragen
an Ms. McClendon … fühlen Sie sich dazu imstande? Wenn
nicht, wir könnten damit auch noch warten.« Er machte eine
Pause. »Aber wir sollten nicht damit warten. Ich glaube, das
wissen wir beide, richtig?«
Rosie machte kurz die Augen zu und schlug sie wieder
auf. Sie sah zu Bill, der vor dem Geländer saß, dann zu Haie.
»Fragen Sie, was Sie fragen müssen«, sagte sie. »Aber
machen Sie es so kurz wie möglich. Ich will nach Hause.«
5
Als er diesmal in seinen Kopf zurückkehrte, stieg er in einer Vorortstraße, in der er fast sofort die Durham Avenue erkannte, aus
dem Tempo aus. Er parkte anderthalb Blocks vom Muschipalast
entfernt. Es war noch nicht dunkel, dämmerte aber; die Schatten
unter den Bäumen waren dunkel und samtig, irgendwie üppig.
Er sah an sich hinunter und stellte fest, daß er in seinem Zimmer
gewesen sein mußte, bevor er das Hotel verlassen hatte. Seine Haut
roch nach Seife, und er trug andere Kleidung. Und gute Kleidung
für dieses Unternehmen: grüne Hosen, ein weißes T-Shirt, ein
blaues Baumwollhemd, das er aus der Hose hängen ließ. Er sah aus
wie ein Typ, der am Wochenende vorbeikam, um nach einem schadhaften Gasanschluß zu sehen, oder …
»Oder die Alarmanlage zu überprüfen«, sagte Normen flüsternd und grinste. »Verdammt gerissen. Senor Daniels. Verdammt ger-«
Da traf ihn die Panik wie ein Blitzschlag, und er griff mit der
Hand zur Gesäßtasche der Hose, die er jetzt trug. Er spürte nur die
Wölbung seiner Brieftasche. Er klatschte die Hand auf die linke
Gesäßtasche und stieß einen schroffen Seufzer der Erleichterung
aus, als er die schlaffe Latexmaske unter seinen Fingern wabbeln
spürte. Er hatte offenbar seinen Dienstrevolver vergessen - hatte
ihn im Zimmersafe liegenlassen - aber er hatte an die Maske
gedacht, und im Augenblick schien die Maske viel wichtiger zu
sein als der Revolver. Wahrscheinlich verrückt, aber ohne Zweifel
richtig.
Er ging auf dem Bürgersteig Richtung 251. Wenn nur ein paar
Fotzen anwesend waren, würde er versuchen, sie alle als Geiseln
zu nehmen. Wenn es mehrere waren, würde er so viele er konnte
festhalten - vielleicht ein halbes Dutzend -, und die restlichen in
die Berge fliehen lassen. Dann würde er sie einfach eine nach
der anderen abmurksen, bis eine von ihnen Rosies Adresse ausspuckte. Wenn keine sie wußte, würde er alle abmurksen und in der
Kartei nachsehen … aber er glaubte nicht, daß es dazu kommen
würde.
Was wirst du machen, wenn die Cops da sind, Normie? fragte sein Vater nervös. Cops davor, Cops im Inneren, Cops,
die das Haus vor dir schützen?
Das wußte er nicht. Und es interessierte ihn auch nicht.
Er ging an 245,247 und 249 vorbei. Zwischen dem letzten Haus
und dem Bürgersteig ragte eine Hecke auf, und als Norman deren
Ende erreicht hatte, blieb er plötzlich stehen und betrachtete 251
Durham Avenue mit zusammengekniffenen, argwöhnischen Augen. Er war darauf vorbereitet gewesen, viel Aktivität oder wenig
Aktivität zu sehen, aber er war nicht darauf vorbereitet gewesen,
was er tatsächlich sah, nämlich gar keine Aktivität.
Daughters and Sisters stand am Ende des schmalen, tiefen
Rasenstücks, und die Jalousien im ersten und zweiten Stock waren
wegen der Hitze des Tages heruntergelassen. Das Haus war stumm
wie eine Ruine. Die Fenster links von der Veranda waren nicht
zugezogen, aber dunkel. Nichts regte sich im Inneren. Niemand
hielt sich auf der Veranda auf. Keine Autos in der Einfahrt.
Ich kann nicht einfach hier stehenbleiben, dachte er und
setzte sich wieder in Bewegung. Er ging an dem Grundstück vorbei und sah in den Gemüsegarten, wo er beim letztenmal die beiden
Huren gesehen hatte - eine war die Hure gewesen, die er sich
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