Das Bild
es Norman -, starrte ihn voll wortlosem Entsetzen an.
Dann machte sie den Mund auf und schrie.
Norman dachte nicht nach; seine Hände schienen aus eigenem
Antrieb zu handeln; er packte ihr Gesicht an den Wangen, plazierte
die Handflächen unter ihrem zierlichen Kieferknochen und drehte
ruckartig. Ein einmaliges, peitschendes Knacken ertönte-als wäre
jemand auf eine Zedernschindel getreten -, und sie wurde in seinen
Armen schlaff. Sie war von uns gegangen, und was sie auch über
Rose gewußt haben mochte, war mit ihr gegangen.
»Oh, du dummes Ding«, hauchte Norman. »Hast dir an dem
verdammten Kleiderhaken das Auge ausgestochen, ist das nicht zu
blöd?«
Er schüttelte sie in seinen Armen. Ihr Kopf rollte haltlos von
einer Seite auf die andere. Nun trug sie einen nassen roten Latz auf
der Vorderseite ihrer weißen Uniform. Er trug Pam zurück zu den
Tagesdecken und ließ sie dort fallen. Dort lag sie nun mit gespreizten Beinen.
»Schamloses Miststück«, sagte Norman. »Kannst nicht mal
genug kriegen, wenn du tot bist, was?« Er schlug ihre Beine übereinander und setzte sich auf die Laken. Um ein Handgelenk trug sie
einen billigen grünen Armreif- sah fast wie ein kurzes Stück Telefonkabel aus. Ein Schlüssel war daran befestigt.
Norman sah ihn an, dann zu den Spinden am anderen Ende des
Raums.
Du kannst da nicht hingehen, Normie, sagte sein Vater. Ich
weiß, was du denkst, aber du müßtest den Verstand verloren
haben, wenn du dich auch nur in die Nähe der Durham Avenue wagen würdest.
Norman lächelte. Du mußt den Verstand verloren haben,
wenn du dorthin gehst. Das war irgendwie komisch, wenn man
darüber nachdachte. Davon abgesehen, wohin sollte er sonst gehen?
Was könnte er sonst versuchen? Er hatte nicht viel Zeit. Die
Brücken hinter ihm standen in hellen Flammen, alle miteinander.
»Die Zeit ist aus den Fugen«, murmelte Norman Daniels und
streifte den Schlüsselanhänger von Pams Handgelenk. Er ging zu
den Spinden, während er den Schlüsselring lange genug in den
Mund nahm, daß er die Stiermaske wieder auf seine Hand setzen
konnte. Dann hielt er Ferd hoch und ließ ihn die aufgeklebten
Namensschilder an den Spinden lesen.
»Der hier«, sagte Ferd und klopfte mit seinem Latexgesicht
gegen den Spind, auf dem PAM HAVERFORD stand.
Der Schlüssel paßte ins Schloß. In dem Spind befanden sich ein
paar Jeans, ein T-Shirt, BH, Duschbeutel und Pams Handtasche.
Norman trug die Tasche zu einem der Wäschekörbe und kippte den
Inhalt auf eines der Handtücher. Er ließ Ferdinand über den
Sachen kreisen wie einen bizarren Aufklärungssatelliten.
»Da haben wir es, großer Junge«, murmelte Ferd.
Norman zog ein dünnes Plastikscheibchen aus dem Durcheinander von Schminkzeug, Kleenex und Zetteln. Damit konnte man
zweifellos die Eingangstür ihres Clubhauses aufmachen. Er nahm
es und wollte sich umdrehen
»Warte«, flüsterte el Toro. Er rückte an Normans Ohr und flüsterte, wobei seine blumengeschmückten Hörner wippten.
Norman hörte zu, dann nickte er. Er zog die Maske wieder von
seiner verschwitzten Hand, stopfte sie in die Tasche und bückte sich
über den verstreuten Inhalt von Pams Handtasche. Diesmal suchte
er gründlicher, wie er einen »Ereignis-Schauplatz«, wie es im heutigen Ermittlerjargon hieß, durchsucht haben würde … nur hätte
er dabei die Spitze eines Kugelschreibers oder Bleistifts benützt,
statt der Fingerspitzen.
Fingerabdrücke sind mit Sicherheit kein Problem, dachte er
und lachte. Nicht mehr.
Er schob ihre Geldklammer beiseite und hob ein kleines rotes
Buch auf, dessen Deckel die Aufschrift TELEFON - ADRESSEN
trug. Er schlug unter D nach und fand einen Eintrag »Daughters
and Sisters«, aber das war nicht das, wonach er gesucht hatte. Er
schlug die erste Seite des Buchs auf, wo viele Zahlenfolgen zwischen Pams Kritzeleien
- hauptsächlich Augen und gemusterte
Querbinder - geschrieben standen. Aber die Zahlen sahen alle wie
Telefonnummern aus.
Er blätterte zur letzten Seite, die andere wahrscheinlichste
Stelle, sah noch mehr Augen, noch mehr Fliegen … und in der
Mitte, fein säuberlich eingerahmt und mit Sternchen markiert, folgendes:
»O Mann«, sagte er. »Behaltet eure Karten, Leute, aber ich
glaube, wir haben hier ein Bingo. Oder nicht, Pammy?«
Norman riß die letzte Seite aus Pams Buch, steckte sie in die
Brusttasche und schlich auf Zehenspitzen zur Tür zurück. Er
horchte. Niemand war da draußen. Er atmete aus und berührte die
Ecke des Blatts, das er gerade in die
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