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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihn. Ich bin
Polizist.« Sie gingen etwas schneller und drehten sich nicht noch
mal um. Daniels legte Ramon einen Arm um die Schultern. Die
Knochen darunter fühlten sich so zerbrechlich wie die
Schwingen eines Vogels an. »Komm schon, großer Junge«,
sagte er und zog Ramon in eine sitzende Haltung. Ramons Kopf
kreiste wie die Blüte auf einem gebrochenen Stengel. Er
rutschte fast augenblicklich wieder zurück und gab leise, belegte
Grunzlaute von sich. Daniels zog ihn wieder hoch, und diesmal
konnte Ramon das Gleichgewicht halten. Daniels saß neben ihm
und beobachtete, wie der deutsche Schäferhund vergnügt dem
Frisbee hinterherjagte. Er beneidete Hunde, wirklich. Sie hatten
keine Verantwortung, mußten nicht arbeiten gehen -jedenfalls
nicht in diesem Land -, sie bekamen ihr Futter, einen Platz zum
Schlafen und mußten sich nicht mal Gedanken über Himmel
oder Hölle machen, wenn die Reise zu Ende war. Er hatte
damals in Aubreyville Pater O’Brian einmal danach gefragt,
und der Pater hatte ihm gesagt, daß Tiere keine Seele hatten –
wenn sie starben, erloschen sie einfach wie Wunderkerzen am
vierten Juli. Sicher, der Schäferhund hatte wahrscheinlich
keine sechs Monate nach seiner Geburt die Eier verloren, aber…
»Aber in gewisser Weise ist auch das ein Segen«, murmelte
Daniels. Er tätschelte Ramons Schritt, wo der Penis allmählich
erschlaffte, während die Hoden anschwollen. »Richtig, großer
Junge?«
Ramon murmelte tief in seiner Kehle etwas. Es war die Stimme
eines Mannes, der einen schrecklichen Alptraum hat.
Nun denn, dachte Daniels, was man hatte, das hatte man, und
damit mußte man sich begnügen. Im nächsten Leben hatte er vielleicht Glück und wurde ein deutscher Schäferhund, der nichts zu
tun hatte, außer im Park Frisbees nachzujagen und auf dem Weg
nach Hause, wo eine hübsche Portion Purina Hundefutter auf ihn
wartete, den Kopf zum Fenster rauszustrecken, aber in diesem
Leben war er ein Mann mit den Problemen eines Mannes.
Aber wenigstens war er ein Mann, im Gegensatz zu diesem
schwulen kleinen Schmalzkopf.
Continental Express. Ramon hatte sie gegen halb elf oder Viertel
vor elf am Fahrkartenschalter von Continental Express gesehen,
und wahrscheinlich hatte sie nicht allzu lange gewartet - er wäre
jede Wette eingegangen, daß sie zuviel Angst vor ihm hatte, um
lange zu warten. Also mußte er nach einem Bus suchen, der Portside zwischen elf Uhr vormittags und ein Uhr nachmittags verlassen hatte. Wahrscheinlich auf dem Weg in eine Großstadt, wo sie
glaubte, untertauchen zu können.
»Aber das kannst du nicht«, sagte Daniels. Er sah zu, wie der
Schäferhund hochsprang und mit seinen langen, weißen Zähnen
das Frisbee aus der Luft schnappte. Nein, das konnte sie nicht. Sie glaubte vielleicht, daß sie es konnte, aber da täuschte sie sich. Er
würde anfangs am Wochenende arbeiten, hauptsächlich mit dem
Telefon. Anders konnte er es nicht machen; es war eine Menge los
im Revier, ein Großeinsatz stand vor der Tür (sein Einsatz, wenn
er Glück hatte). Aber das machte nichts. Bald würde er Rose seine
ungeteilte Aufmerksamkeit widmen können, und dann würde es
nicht mehr lange dauern, bis sie bedauerte, was sie getan hatte. Ja.
Sie würde es für den Rest ihres Lebens bedauern, eine Zeitspanne,
die möglicherweise kurz war, aber ganz bestimmt außerordentlich … nun …
»Außerordentlich intensiv«, sagte er laut. Ja, das war das richtige Wort. Genau das richtige Wort.
Er stand auf und ging mit schnellen Schritten zur Straße und
dem Polizeirevier auf der anderen Seite, wobei er den halb bewußtlosen jungen Mann, der mit gesenktem Kopf und schlaff im Schritt
gefalteten Händen auf der Bank saß, keines Blickes mehr würdigte.
Im Denken von Norman Daniels, Detective Inspector 2. KL, existierte Ramon einfach nicht mehr. Er dachte an seine Frau und alle
Dinge die sie lernen mußte. An alle Dinge, über die sie sich unterhalten mußten. Und sie würden sich darüber unterhalten, sobald
er sie aufgespürt hatte. Über alle möglichen Dinge - Schiffe und
Segel und Siegelwachs, ganz zu schweigen davon, was mit Ehefrauen passierte, die gelobten, zu lieben, zu ehren und zu gehorchen, aber dann mit den BankCards ihrer Männer die Mücke machten. Über all diese Dinge.
Sie würden sich ausführlich darüber unterhalten - aus der Nähe.
9
    Sie machte wieder ein Bett, aber diesmal war es in Ordnung.
Es war ein anderes Bett, in einem anderen Zimmer, in einer
anderen Stadt. Am besten

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