Das Bild
Und zwar einen hohen Preis.
Einen hohen.
Eine der Frauen, mit denen er geschlafen hatte, seit Rose fort
war, hatte er erwürgt. Er hatte sie erwürgt und dann hinter einem
Getreidesilo am Westufer des Sees versteckt. Sollte er das auch auf
sein unbeherrschtes Temperament schieben? Er wußte es nicht,
was sollte man dazu sagen? Konnte man es fassen? Er wußte nur,
er hatte sich eine Frau aus dem wandelnden Fleischmarkt an der
Fremont Street aufgerissen, einen kleinen Rotschopf in rehbraunen
Hot Pants, deren große Daisy-Mae-Titten aus dem Büstenhalter
quollen. Er sah nicht, was für eine große Ähnlichkeit sie mit Rose
hatte (zumindest redete er sich das heute ein und glaubte es wahrscheinlich selbst), jedenfalls nicht, bis er es ihr auf dem Rücksitz
seines derzeitigen Dienstwagens besorgte, eines unauffälligen, vier
Jahre alten Chevys. Da hatte sie den Kopf gedreht, das Licht eines
der Getreidesilos in der Nähe hatte ihr einen Moment ins Gesicht
geschienen, und in diesem Augenblick war die Hure Rose gewesen,
das Flittchen, das ihn verlassen hatte, ohne auch nur eine Nachrieht zu hinterlassen, ohne auch nur ein verdammtes Wort, und
ehe er recht wußte, was er da tat, hatte er den Büstenhalter um den
Hals der Hure geschlungen, die Zunge hing ihr aus dem Mund
und die Augen quollen der Hure aus den Höhlen wie Glasmurmeln. Und das Schlimmste war, als sie tot war, hatte die Hure nicht
mehr die geringste Ähnlichkeit mit Rose gehabt.
Nun, er war nicht in Panik geraten … aber weshalb sollte er
auch? Schließlich war es nicht das erstemal gewesen.
Hatte Rose das gewußt? Es gespürt?
War sie darum ausgerissen? Weil sie Angst gehabt hatte, er
könnte…
»Sei kein Arschloch«, murmelte er und machte die Augen
zu.
Keine gute Idee. Denn er sah, was er in letzter Zeit häufig in seinen Träumen sah: eine grüne BankCard der Merchant’s Bank, die
zu enormer Größe angewachsen war und in der Luft schwebte wie
ein geldscheingrünes Luftschiff. Er machte die Augen hastig wieder auf. Seine Hände taten weh. Er öffnete die Fäuste und nahm die
halbrunden Wunden in seinen Handflächen ohne Überraschung
zur Kenntnis. Er hatte sich an die Wundmale seiner Unbeherrschtheit gewöhnt und wußte, wie er damit fertigwerden mußte: durch
eiserne Selbstbeherrschung. Das bedeutete, mit Denken und Planen, und das begann mit einer kritischen Aufarbeitung.
Er hatte die Polizei in der nähergelegeneren der beiden Städte
angerufen, sich ausgewiesen und Rose als Hauptverdächtige bei
einem großen Kreditkartenschwindel genannt (das mit der Karte
war am schlimmsten, und es ging ihm nicht mehr aus dem Sinn;
der Gedanke, daß sie es gewagt hatte, die BankCard vom Kaminsims zu nehmen, trieb ihn zum Wahnsinn). Er nannte denNamen
Rose McClendon, weil er sicher war, daß sie ihren Mädchennamen
wieder angenommen hatte. Sollte sich das Gegenteil herausstellen,
würde er die Tatsache, daß die Verdächtige und der ermittelnde
Polizist denselben Namen hatten, einfach als Zufall abtun. So was
war schon vorgekommen. Schließlich ging es hier um Daniels,
nicht um Trzewski oder Beauschatz.
Außerdem hatte er den Cops zwei Bilder von Rose gefaxt. Eines
war ein Foto von ihr, wie sie auf den Stufen zum Garten saß; ein
Kollege von ihm, Roy Foster, hatte es Ende August gemacht. Es
war nicht besonders gut-zunächst einmal zeigte es, wieviel Speck
sie angesetzt hatte, seit sie dreißig geworden war -, aber es war
schwarzweiß, und man konnte ihr Gesicht hinreichend deutlich
erkennen. Das zweite war ein Phantombild derselben Frau, das AI
Kelly, ein verdammt begabter Hurensohn, auf Normans Bitte hin
in seiner Freizeit gemacht hatte - allerdings mit einem Tuch um
den Kopf.
Die Cops in der anderen Stadt, der nähergelegenen Stadt, hatten alle richtigen Fragen gestellt und alle richtigen Anlaufstellen
aufgesucht, die Absteigen, die Asyle, wo man manchmal die Gästeliste einsehen konnte, wenn man wußte, wen und wie man fragen
mußte - aber ohne Ergebnis. Norman selbst hatte so oft er Zeit
hatte telefoniert und mit wachsender Frustration nach einer Spur
gesucht. Er hatte sogar die Gebühr für eine gefaxte Liste der Personen bezahlt, die in letzter Zeit einen Führerschein beantragt hatten, ebenfalls ergebnislos.
Der Gedanke, daß sie ihm entkommen, daß sie der gerechten
Strafe für das, was sie getan hatte, entgehen könnte (besonders
dafür, daß sie es gewagt hatte, die BankCard zu nehmen), war ihm
noch nicht in den Sinn gekommen, aber er kam widerwillig zu
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