Das Bild
verschie dene Menschen gehört. Ich habe sie wirklich gehört. Ich …«
Er streckte die Hand aus und berührte sie zaghaft an der
Schulter, als sie sich abwenden wollte. Eine Frau mit etwas
mehr Lebenserfahrung hätte gewußt, daß es sich um eine
Sprechprobe handelte, auch wenn sie an einer Straßenecke
stattfand, und wäre demzufolge nicht besonders überrascht
gewesen von dem, was Lefferts als nächstes sagte. Rosie
jedoch war so verblüfft, daß ihr vorübergehend die Worte
fehlten, als er ihr einen Job anbot.
6
In dem Augenblick, als Rob Lefferts seiner geflohenen Frau an einer
Straßenecke zuhörte, saß Norman Daniels in seinem kleinen
Kabuff im dritten Stock des Polizeireviers, hatte die Füße auf den
Schreibtisch gelegt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Es
war das erstemal seit Jahren, daß es ihm möglich war, die Füße
hochzulegen; unter normalen Umständen war sein Schreibtisch
vollgestapelt mit Formularen, Imbißverpackungen, halb geschriebenen Berichten, abteilungsinternen Rundschreiben, Merkzetteln
und anderem Mist. Norman gehörte nicht zu den Menschen, die
ihren Kram automatisch aufräumen (in nur fünf Wochen, sah das
Haus, das Rosie all die Jahre blitzsauber gehalten hatte, etwa so aus
wie Miami nach dem Hurrikan Andrew), und normalerweise sah
man das auch seinem Büro an, aber heute sah es eindeutig ordentlich aus. Er hatte fast den ganzen Tag mit Aufräumen verbracht
und drei große Plastiksäcke voll Abfall zu den Müllcontainern im
Keller geschleppt, weil er die Arbeit nicht den Niggerweibern überlassen wollte, die zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens
zum Putzen kamen. Was man den Niggern überließ, blieb liegen diese Lektion hatte Normans Vater ihm beigebracht, und das war
völlig richtig. Es gab eine ganz grundlegende Tatsache, die die Politiker und Weltverbesserer entweder nicht verstanden oder nicht
verstehen wollten: Nigger hatten keine Ahnung von Arbeit. Das
war ihre afrikanische Mentalität.
Norman ließ den Blick langsam über seinen Schreibtisch schweifen, auf dem sich nun außer seinen Füßen und dem Telefon nichts
mehr befand, dann sah er zu der Wand rechts von sich. Jahrelang
war sie mit Anforderungszetteln, Laborberichten und Speisekarten
zugeklebt gewesen - ganz zu schweigen von seinem Kalender, auf
dem er mit Rotstift seine Gerichtstermine eintrug -, aber jetzt war
sie vollkommen kahl. Er beendete seine visuelle Rundreise bei dem
Stapel Spirituosenkartons neben der Tür. Dabei überlegte er, wie
unvorhersehbar das Leben war. Er hatte ein impulsives Temperament und war der erste, der es auch zugab. Dieses Temperament
brachte ihn immer wieder in Schwierigkeiten, auch das hätte er
bereitwillig zugegeben. Und hätte man ihm vor einem Jahr eine
Vision seines Büros gewährt, wie es heute aussah, hätte er eine simple Schlußfolgerung daraus gezogen: Sein Temperament hatte ihn
schließlich und endlich in eine Klemme gebracht, aus der er sich
nicht herausreden konnte, und er war gefeuert worden. Entweder
hatte er genügend Verweise aufgehäuft, daß seine Entlassung nach
den Vorschriften des Reviers gerechtfertigt wäre, oder er war endlich einmal dabei erwischt worden, wie er jemandem wirklich weh
tat, wie er wahrscheinlich Ramon Sanders, dem kleinen Schmalzkopf, weh getan hatte. Der Gedanke, daß es eine Rolle spielte, ob
einem Schwulenbengel wie Ramon ein bißchen weh getan wurde,
war selbstverständlich lächerlich - der heilige Antonius war er
ganz sicher nicht -, aber man mußte sich an die Spielregeln halten … oder durfte sich zumindest nicht dabei erwischen lassen, wie
man sie brach. Wie man beispielsweise nicht sagen durfte, daß
Nigger keine Ahnung hatten, was Arbeiten bedeutete, obwohl das
selbstverständlich jeder wußte (zumindest jeder Weiße).
Aber er war nicht gefeuert worden. Er zog um, das war alles. Er
zog aus diesem beschissenen kleinen Kabuff aus, in dem er seit dem
ersten Jahr der Amtszeit von Präsident Bush untergebracht war. Er
zog in ein richtiges Büro um, wo die Wände bis zur Decke hinauf
reichten und bis zum Boden hinunter gingen. Nicht gefeuert; befördert. Dabei mußte er an einen alten Song von Chuck Berny
denken, der so ging: C’est la vie, it goes to show you never can
tell.
Die Razzia war über die Bühne gegangen, das Riesending, und
es hätte nicht besser laufen können, wenn er selbst das Drehbuch
dazu geschrieben hätte. Eine fast unvorstellbare Verwandlung war
passiert: Sein Arsch hatte sich in Gold verwandelt,
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