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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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im Augenblick war der von Pam. Mit dem
Buch auf dem Schoß, dem mit einem blauen Faden zurückgebundenen Haar und den prüde zusammengepreßten
Knien sah sie wie ein Mauerblümchen beim High-SchoolTanz aus. Rosie setzte sich neben sie und lehnte das verpackte Bild gegen ihre Schienbeine.
    Gert, die gut und gerne hundertzwanzig Kilo wog, und
Cynthia, die die Waage wahrscheinlich nur in Georgia Giants
und mit einem vollgepackten Rucksack auf dem Rücken
knapp über fünfzig gebracht hätte, umkreisten einander.
Cynthia keuchte und grinste breit. Gert war ruhig und
stumm, leicht vornüber gebeugt und hatte die Arme vor sich
ausgestreckt. Rosie betrachtete sie amüsiert und ein wenig
nervös. Es war, als würde man ein Eichhörnchen beobachten,
das einen Bären attackieren wollte.
    »Ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht«, sagte Pam.
»Und mich allen Ernstes gefragt, ob wir einen Suchtrupp losschicken sollten.«
    »Ich hatte einen unglaublichen Nachmittag. Aber was ist
mit dir? Wie geht es dir?«
»Besser. Meiner Meinung nach ist Midol die Lösung für
alle Probleme dieser Welt. Aber das ist unwichtig, was war
bei dir los? Du strahlst ja richtig.«
»Echt?«
»Echt. Also schieß los. Wie kommt’s?«
»Nun, mal sehen«, sagte Rosie. Sie zählte alles an den Fingern ab. »Ich hab festgestellt, daß mein Verlobungsring Tinnef ist, ich hab ihn gegen ein Bild eingetauscht - das werd ich
in meine Wohnung hängen, wenn ich eine bekomme -, ich
hab einen Job angeboten bekommen …« Sie machte eine
Pause - eine rhetorische Pause
- und fügte dann hinzu:
»… und ich hab jemand Interessantes kennengelernt.«
Pam sah sie mit großen Augen an. »Das hast du erfunden!«
»Nee. Ich schwöre bei Gott. Aber mach keinen Aufstand,
er ist fünfundsechzig, wenn nicht älter.« Sie sprach von Robbie Lefferts, aber vor ihrem geistigen Auge sah sie kurz Bill
Steiner mit seiner blauen Seidenweste und den interessanten
Augen. Doch das war lächerlich. In dieser Phase ihres Lebens
brauchte sie Liebe etwa so sehr wie Herpes. Und außerdem,
war sie nicht zu dem Ergebnis gekommen, daß Steiner mindestens sieben Jahre jünger sein mußte als sie? Wirklich nur
ein Baby. »Er hat mir den Job angeboten. Sein Name ist Robbie Lefferts. Aber der soll uns jetzt nicht weiter kümmern willst du mein neues Bild sehen?«
»Ach, komm schon und laß knacken!« sagte Gert aus der
Mitte des Zimmers. Sie hörte sich liebenswürdig und gereizt
zugleich an. »Das hier ist nicht der Schulball, Süße.« Das
letzte Wort sprach sie wie Süühße aus.
Cynthia stürmte auf sie zu, daß der Zipfel ihres zu großen T-Shirts flatterte. Gert drehte sich zur Seite, packte
das Mädchen mit dem zweifarbigen Haar an den Unterarmen und wirbelte sie herum. Cynthia flog mit den Füßen
nach oben durch die Luft und landete auf dem Rücken. »Huuiii!« sagte sie und sprang wieder in die Höhe wie ein
Gummiball.
»Nein, ich will dein Bild nicht sehen«, sagte Pam. »Es sei
denn, es zeigt den Typ. Ist er echt fünfundsechzig? Also da hab ich meine Zweifel.«
»Vielleicht älter«, sagte Rosie. »Da war aber noch einer. Der
hat mir gesagt, daß der Diamant meines Verlobungsrings
nur ein Zirkon ist. Dann hat er ihn gegen das Bild eingetauscht.« Sie machte eine Pause. »Der war keine fünfundsechzig.«
»Wie hat er ausgesehen?«
»Braune Augen«, sagte Rosie und beugte sich über ihr
Bild. »Aber ich erzähl dir nichts mehr, wenn du mir nicht
sagst, was du davon hältst.«
»Rosie, sei kein Spielverderber!«
Rosie grinste - sie hatte das Vergnügen eines harmlosen
kleinen Geplänkels fast schon vergessen - und riß weiter das
Packpapier auf, mit dem Bill Steiner die erste wirklich sinnvolle Anschaffung ihres neuen Lebens eingewickelt hatte.
»Okay«, sagte Gert zu Cynthia, die sie wieder umkreiste.
Gert sprang la ngsam auf ihren großen braunen Füßen auf
und ab. Ihre Brüste wogten wie Wellen im Ozean unter dem
weißen T-Shirt, das sie trug. »Du hast gesehen, wie es geht,
und jetzt mach es nach. Vergiß nicht, du kannst mich nicht
herumwirbeln - ein Floh wie du würde sich einen Bruch
heben, wenn er versucht, eine Dampfwalze wie mich herumzuwirbeln -, aber du kannst mithelfen, daß ich mich selbst
herumwirble. Alles klar?«
»Klar wie Kloßbrühe«, sagte Cynthia. Ihr Grinsen wurde
noch breiter und entblößte winzige, spitze weiße Zähne. Für
Rosie sahen sie wie die Zähne eines kleinen, aber gefährlichen Tiers aus; vielleicht die eines Mungos. »Gertrude Kin shaw, komm

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