Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
Vom Netzwerk:
rauchenden Kollegen.
    »Wegen dem Schlüssel frage ich. Hier liegen zehn Schlüssel. Welches Modell?«
    »Ich glaube… ein Mitsubishi. Ja?«
    »Mitsu… hier liegt einer. Mit einem Anhänger, auf dem Gunther steht.«
    »Das ist er! Gunther, das ist mein Schwiegervater, hehe. Hoho!«
    Unbeschreibliche Blicke. Mit einem leisen Seufzer gibt mir der Mann den Schlüssel, schiebt mir die Rechnung über das Pult. Ich bezahle. Ich stopfe mir die Rechnung und die Scheine in irgendwelche Taschen. Der Hund bellt ohne sichtlichen Grund.
    Am Abend fahre ich mit dem Taxi in die Innenstadt. Heidi List, die Freundin von Thomas Maurer, wird 35. Ich betrete ein Lokal, das sehr schick wirkt und in dem ich mich auf Anhieb deplaziert fühle. Es gibt nur vier Tische. Ich sehe mich um, erkenne niemanden. Ein Kellner mit dunkler Hautfarbe tritt zu mir, ich halte ihn für einen Srilankesen, aber wer weiß, vielleicht stammt er auch aus Pakistan oder Indien oder sonstwoher. Was ich will. Er stellt die Frage grob, ich bin geneigt, es auf Sprachschwierigkeiten zu schieben, denn sein Deutsch ist kaum verständlich. Aber da ist auch noch etwas anderes – der kleine Mann, er ist einen Kopf kleiner als ich, hat eine unfreundliche Ausstrahlung.
    »List«, sage ich. »Ein Tisch, der auf den Namen List bestellt ist.«
    »Brda-brda schsch schhh mh?«
    »Äh – wie?«
    »Brmt! Brutt! Hai!« Er funkelt mich böse an.
    »Bitte was? Ich suche List! List! Oder Maurer! Den Tisch! Bestellt!«
    »Brutsta! Brutsta! Hai!« schreit er.
    Ich sehe mich hilflos um. Zwei der vier Tische sind besetzt, aber die jungen Leute ringsum verfolgen das Schauspiel unbeeindruckt. Vielleicht haben sie dasselbe erlebt.
    »Hören Sie, ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin. Ist hier kein Tisch auf den Namen List reserviert?«
    »Wolln S’ Brutsts Feia!« donnert er mich an.
    »Brutsts? Feia? Geburtstagsfeier? Jawohl! Ja! Geburtstagsfeier! Hahahaha!«
    Wortlos dreht er sich um und verschwindet nach hinten. Ich fasse das als Zeichen auf, ihm zu folgen. Richtig, ich betrete ein Hinterzimmer, in dem ein großer Tisch steht, um den zehn, fünfzehn, achtzehn Stühle angeordnet sind, wie ich schnell zähle, genau die Größe einer Gesellschaft, die ich nicht mag. Ich bin der dritte Gast. Eine Frau und ein Mann sitzen schon da. Wir begrüßen uns. Ich vollführe einen Indianertanz rund um den Tisch, weil ich keinen Platz finden kann, der mir zusagt. Sie beobachten mich. Ich setze mich schließlich ihnen gegenüber. Als das Schweigen zu drückend wird, mache ich einen Scherz. Sie scherzen zurück, wir reden über das abwesende Geburtstagskind (sie sagen ständig Geburtstagskind, nicht ich).
    Allmählich werde ich durstig, was nicht nur an den Dutzenden Flaschen liegt, die in den Vitrinen ringsum ausgestellt sind. Der Kellner steht im Gang zwischen Lokal und Hinterzimmer und schaut böse, nicht mißmutig, sondern böse. Ich winke ihm. Nach einiger Zeit bequemt er sich herbei.
    »Was haben Sie für Weißwein?« frage ich freundlich.
    »Hka hka, arbra hmnjumm!«
    »Sehr gut, bringen Sie mir einen Weißburgunder, und bitte viel Wasser dazu.«
    Mit zorniger Miene geht er ab. Drei Minuten später stellt er mir ein Glas Wein auf den Tisch. Das Wasser hat er auch nicht vergessen. Ich koste den Wein. Gut. Langsam frage ich mich, ob der Kerl nicht Theater spielt. Bringt kein vollständiges Wort heraus, aber versteht Weißburgunder.
    Nach und nach kommen weitere Gäste. Ich kenne niemanden. Die Plätze rings um mich bleiben frei. Dann kommt Heidi, küßt mich auf die Backe und setzt sich neben mich. Thomas Maurer setzt sich neben sie, grüßt in die Runde und ruft mir zu, wieso ich schon wieder Krawatte trage. Ich überreiche Heidi das Geschenk, ein Sternensystem aus Edelschokolade, also eine Schokoladensonne und neun kleinere, allerdings nicht maßstabsgetreue Schokokugeln, das alles aus belgischem Erzeugnis.
    Ich bitte den Kellner um ein weiteres Glas Wein, es kommt nicht.
    Weitere Gäste erscheinen. Einer, der eine Flasche Champagner mitgebracht hat, fragt den Kellner, ob wir sie trinken dürfen. Es ist nicht uninteressant, diese Konversation, die mit Händen und Füßen geführt wird, zu beobachten. Der Kellner blickt wütend drein, aber jetzt hat er wenigstens einen Grund. Der Gast kommt zu Heidi, gibt ihr die Flasche und erklärt bedauernd, wir dürften den Champagner nicht trinken. Sie stellt uns vor. »Das ist Clemens Paulustor-Fellsenstein«, sagt sie zu mir. »Das ist Thomas Glavinic,

Weitere Kostenlose Bücher