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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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nachgelassen haben, ja, früher war es besser, sind einige weggestorben, aber trotzdem, das ist eine Spitzensendung. Und die Lore Krainer, ja…«
    »Wenn ihr bei uns zu Besuch seid, schalte ich zum Frühstück auch nicht Stereolab ein.«
    »Was?«
    »Ich schalte keine Musik ein, die euch überfordern könnte.«
    »Mich? Musik überfordern? Du bist doch der, der keine Musik mag!«
    »Wenn ich mich nicht für Musik interessiere, wieso habe ich jetzt einen Discman bei mir?«
    »So? Ach ja. Aber warum sehe ich dich nie damit?«
    »Weil ich HÖFLICH bin! Weil ich nicht neben dir Kopfhörer aufsetze und Musik anschalte! Aus demselben Grund, aus dem ich nicht Stereolab höre, wenn ihr bei uns frühstückt!«
    »Ist da das drinnen, ja ne, das mit dem Flattern?«
    »Was?«
    »Was du gesagt hast.«
    »Was habe ich gesagt?«
    »Dein Lieblingslied, ja.«
    »Ach – ach so. Mein Gott. Nein. Das ist da nicht drauf. Das ist Foyer des Arts .«
    »Foyer de Sade?«
    »Hör einfach mal rein.«
    »Also, ich weiß nicht recht.«
    »Sieh mal, da bringen sie jemanden mit dem Ackja weg.«
    »Wenn wir an einem Tisch wären, ja ne, würde ich sagen, die Suppe ist dünn, ja. Diese Musik. Was soll denn das?«
    »Was gefällt dir daran nicht? Ist das denn nicht wunderbar?«
    »Was soll daran wunderbar sein? Aus der Erde schneiden! Fallende hören die herrlichste Musik! Also ich weiß wirklich nicht.«
    »Das ist Poesie, Gunther.«
    »Und werfen. Ja ne. Und einer, der fällt, hört keine Musik, er sieht seinen Lebensfilm, oder? Vielleicht hört er aber auch nur das Pfeifen des Windes, ja. Ich habe mal erlebt, wie einer abgestürzt ist, ja, nicht ich habe geführt, Gott behüte, das war die Tour des Dr. Steinscherer aus Vöcklabruck, der damals bekannt war, im kleinen Kreis natürlich, ja ne, für seine Couplets, war ein guter Sänger, der eine gute Stimme gehabt hat, und dessen Tochter war mit dabei, deren Verlobter ist abgestürzt, im Wilden Kaiser war das, ich glaube 1962 oder so, ja ne.«
    »Achtzehn?«
    »Neunzehn! 1962!«
    »Übrigens, weißt du, daß der Name Stangassinger aus dieser Gegend stammt?«
    »Was?«
    »Der Name Stangassinger stammt aus dieser Gegend hier, das ist eigentlich ein Berchtesgadener Name.«
    »Ja und?«
    »Na, es gab doch den österreichischen Olympiasieger, ja, im Slalom, Stangassinger, der Name stammt aus dieser Gegend, ja ne.«
    »Na und?«
    »Der Name Stangassinger, das wird dich interessieren, ist ein alter Berchtesgadener Name, ja ne, sozusagen ein Talname, der von hier vermutlich seit Jahrhunderten sich verbreitet hat, ja, aber wenn du einen Stangassinger triffst, ist es fast mit Sicherheit jemand, der hierher Verbindungen hat, ja ne, so wie der Skiläufer welche hat, haben muß, ja ne, der stammt bestimmt von hier.«
    »He – es geht weiter! Es geht weiter!«
    »Ja wirklich, es geht weiter. Endlich, ja ne! Es wird allmählich kühl, ja.«

Elf
    Ich erwache, weil der Nachbar in der Wand bohrt, und ich habe einen Monsterkater. Ich bin allein, Else liegt nicht neben mir. Ich drehe mich auf die Seite, um zum Wecker zu schauen, bei dieser Bewegung wird mir noch mehr übel. Die Kopfschmerzen sind schlimm, aber zu ertragen. Was ich nicht ertragen kann, ist diese entsetzliche Übelkeit.
    Es ist neun. Wieso bohrt dieser Mensch? Wieso macht er das nicht am Nachmittag? Ich stelle mir vor, wie ich ihm die Meinung sage, aber das hilft auch nicht, denn das Bohren hört nicht auf, und mir ist weiterhin übel. Wieso eigentlich? Was habe ich gestern wieder getrieben?
    Und es ist nicht nur der jämmerliche körperliche Zustand. Ich fühle einen seelischen Alpdruck, ich habe ein schlechtes Gefühl, als laste ein moralisches Gewicht auf mir. Ich kann mir das nicht erklären, es geht über den gewöhnlichen Moralischen nach starkem Alkoholkonsum hinaus.
    Von draußen höre ich die Stimme Ursels, meiner Schwiegermutter, die mit Stanislaus spricht. Sie sind nebenan in seinem Zimmer, offenbar wird er gewickelt. Ich habe ihr schon einige Male gesagt, sie soll dabei bitteschön die Tür zumachen bitte, wenn ich noch im Bett bin, aber das vergißt sie manchmal. Gut, heute ist das egal, denn mich hat nicht Stanislaus’ Krähen geweckt, sondern der gewissenlose Nachbar. Nur holt mich die Unterhaltung zwischen meiner Schwiegermutter und Stanislaus noch weiter aus dem Schlaf heraus.
    Wieso ist mir so schlecht? Was war gestern los? Am Nachmittag habe ich den Professor getroffen und, wie immer in seiner Gesellschaft, keinen Tropfen

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