Das bisschen Haushalt
Technik. Sein schlanker, sehniger Körper lässt auf ausgiebiges Training schließen. Vor dem Start versenkt er sich in einen meditativen Zustand. Elegant schwingt er sich in die Röhre, macht sofort ein Hohlkreuz und geht in die 3-Punkt-Haltung über. Auf beiden Schultern und einer Ferse - die zweite liegt auf dem anderen Bein - donnert er den Wasserkanal hinab. Unten trifft er mit einer Geschwindigkeit auf, die nicht mehr in Kilometern pro Stunde, sondern in Mach gemessen werden muss.
Dem Profi gegenüber steht der Angsthase - entweder ein Elternteil (meist Mutter) oder ein verschüchtertes Kind. Der Angsthase will eigentlich gar nicht rutschen; ihm ist das viel zu schnell und gefährlich, aber entweder drängen ihn Geschwister/Freunde/andere Kinder oder der Ehepartner/die eigenen Kinder dazu, sich doch auf die Rutsche zu wagen. Man merkt dem Feigling
- der übrigens überdurchschnittlich häufig gemusterte Badekappen und Ohrenstöpsel trägt - seinen Missmut und die Nervosität schon beim Anstehen an. Oft bekommt er völlig unvermittelt beim Warten einen Wadenkrampf und muss wieder umkehren. Ist er doch tapfer genug, um bis zum Startpunkt durchzuhalten, erkennt man ihn leicht an seiner sehr blassen Gesichtsfarbe. In der Regel muss er mehrfach vom Bademeister überredet werden, nun doch bitte endlich loszulegen, schließlich würde die Reihe der Wartenden nicht kleiner. Bei der Fahrt presst der Angsthase alle viere so stark an die Röhre, dass er fast zum Stillstand kommt. Bei manchem Vertreter dieses Typus meint man, er würde die Rutsche eher hinunterrobben als gleiten.
Genug beobachtet. Ich gehe aufs Zimmer und verbringe den restlichen Tag mit Postkarten schreiben. Gegen 17:00 Uhr höre ich, wie sich der Schlüssel im Schloss dreht: meine Familie. Ich erkenne jedoch zunächst kein vertrautes Gesicht, sondern nur den Hotelboy. Er hat eine rund zwei Meter lange, recht dicke Rolle unterm Arm. Dahinter steht Carola, die mir freudig erregt zuruft: „Schatz, du kannst dir nicht vorstellen, was ich erstanden habe!“ Oh doch!!!
Sonntag, 24. August
Unsere Reiseapotheke wird heute erneut geplündert. Diesmal wegen Paul. Als wir während unserer mittäglichen Sonnenpause auf Eurosport die Aufzeichnung der Bundesligaspiele vom Vortag schauen, kippt er vor lauter Begeisterung vom Bett und haut sich den Kopf an der Tischkante an. Carola mutiert - wie in solchen Situationen üblich - stante pede zur Notärztin, verabreicht dem Unfallopfer fünf Kügelchen Arnika (Potenz C 30) und presst ihm ein unter kaltes Wasser gehaltenes Handtuch auf den Kopf, was Paul wiederum zu der Bemerkung veranlasst, sie solle sich locker machen und den improvisierten Kühlbeutel von seinem Schädel nehmen. So schlimm kann’s also gar nicht sein. Dennoch besteht Carola darauf, dass Paul für den Rest des Tages das Bett hüten soll.
„Mama, das ist völliger Quatsch, mir geht’s gut.“ „Schatzi, es kann gut sein, dass du eine leichte Gehirnerschütterung hast. Du brauchst jetzt Ruhe.“ „Oh Mann, Mum, ich bin o. k., das war doch nicht schlimm. Lasst uns jetzt an den Pool gehen.“ „Nein, nein. Du bleibst mal schön hier im abgedunkelten Zimmer. Und den Fernseher schalten wir natürlich auch nicht mehr an.“ Paul schaut mich mit Hilfe suchenden Augen an. Ich zwinkere ihm zu und mache Carola einen Vorschlag: „Geh’ du ruhig mit Rebecca zum Schwimmbad. Ich passe auf Paul auf.“ Mein Töchterlein ist entzückt - endlich mal die Mami ganz für sie allein. Carola ist einverstanden. Kaum sind die beiden abgezogen, wende ich mich an Paul: „Du, die Mami meint das ja gut. Manchmal übertreibt sie vielleicht ein bisschen mit ihrer Fürsorge. Weißt du was, wir machen jetzt einen Geheimplan. Wir schleichen uns aus dem Zimmer und spielen Minigolf. Dann gehen wir wieder zurück und wenn die Damen kommen, sagen wir, dass wir die ganze Zeit hier waren.“
Paul ist natürlich begeistert von meiner Idee. Wir warten noch ein paar Minuten, um absolut sicherzugehen, dass unsere Damen nicht nochmals zurückkommen - es könnte ja sein, dass sie was vergessen haben - und verlassen dann unser Appartement über die Terrasse. Da der Minigolfplatz hinter dem Haupthaus, weit entfernt von den Pools, liegt, müssen wir nicht befürchten, ertappt zu werden. Wir leihen uns Schläger und Bälle aus und spielen zwei Runden; die erste gewinnt Paul, die zweite ich. „Paul, wir sollten jetzt den Rückzug antreten, bevor Mama und Rebecca wieder kommen. Sonst
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