Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
dunklen Sonnenbrillen. Alarmiert sprangen sie auf, als sie Niki sahen, völlig verschwitzt und außer Atem.
»Was ist passiert?«, rief Tamara. »Darmalarm?«
»Mitkommen!«, japste Niki im Laufen. »Es geht um Leben und Tod!«
Sie bekam kaum noch Luft. Ihre Lungen schmerzten, ihr Kreislauf näherte sich dem Zusammenbruch.
Zu dritt rannten sie weiter. Nahmen den Lift in den zweiten Stock. Standen wenig später vor Walburgas Tür, die sie fast einschlugen.
»Was ’n los?«, fragte Walburga gähnend, als sie öffnete. »Habt ihr Doc Mannheimer ermordet?«
»Schlimmer«, keuchte Niki. »Lass uns rein!«
Sie stürmten an Walburga vorbei ins Zimmer, das genauso klein war wie Nikis. Zu viert hatten sie kaum Platz auf dem Bett und dem einzigen Sessel. Mit wenigen Worten schilderte Niki die Katastrophe, die sich anbahnte. Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Alles erzählte sie, die demütigende Szene vorm Kaufhaus, ihre überstürzte Abreise, WolfgangsDrohanruf, seine Verleumdungen. Dann brach sie in Tränen aus.
»Was soll ich bloß tun?«, schluchzte sie.
Walburga zog die Mundwinkel nach unten und reckte das Kinn vor. »Situationsanalyse. Dein Mann ist ein Scheißkerl. Aber du willst ihn zurück. Richtig?«
Niki wischte sich mit dem Handrücken über die nassen Augen. »Ich liebe ihn nun mal. Wir sind fünfundzwanzig Jahre verheiratet. Das wirft man doch nicht einfach weg.«
»Und du willst hierbleiben, weil sonst alles wieder von vorn losgeht und du deine Ehe an die Wand fährst«, stellte Tamara scharfsinnigerweise fest.
»Das war der Plan. Aber jetzt habe ich nur noch Angst!«
Walburga wuchtete ihren Körper in die Höhe. »Dann marschieren wir mal runter und lassen dem Typen die Luft raus.«
»Wie denn?«, jammerte Niki. »Der ist zu allem entschlossen!«
»Vorsicht scheint in der Tat geboten«, pflichtete Alexis ihr bei. »Scheint aggressiv zu sein, der Göttergatte!«
»Nicht so aggressiv wie ich«, konterte Walburga.
Sie pellte sich aus ihrem Jogginganzug. Fassungslos sahen die anderen drei Frauen ihr zu. Nicht nur, weil darunter Dinge ans Tageslicht kamen, die niemand wirklich sehen wollte. Sondern weil Walburga anschließend ein unfassbar riesiges Dirndl aus dem Kleiderschrank zerrte. Es war weißlila kariert, mit einer pinkfarbenen Schürze.
»Sonderanfertigung«, erklärte sie. »Das habe ich mir malfür einen Kunden machen lassen, der auf Jodelsex steht. Ich dachte, ich könnte es noch gebrauchen.«
Walburga zog das Dirndl an und posierte vor ihren Zuschauerinnen. Sie sah, nun ja, imposant aus. Aus den kurzen Blusenärmeln ragten baumdicke Arme, als hätte sie ein Leben lang Maßkrüge auf dem Oktoberfest gestemmt. Ihre gigantischen Brüste sprengten fast das Mieder. Aus den goldfarbenen Turnschuhen ragten mehr als stramme Waden.
»Wenn ich ihn damit nicht aushebele, nehme ich Tränengas«, knurrte Walburga. »Ausrücken zum Sondereinsatz, die Damen.«
Eine Minute später standen alle vier im Lift. Vor Nikis Augen kreisten Sterne. Ihre Beine bestanden nur noch aus Wattebällchen. Ob das gutgehen würde? Was hatte Walburga überhaupt vor? Sie kannte Wolfgang nicht. Der ließ sich nicht so leicht einschüchtern.
»Ich übernehme die Rezeption, Tamara und Alexis, ihr bleibt in der Nähe«, ordnete Walburga an. »Und Nikischatz, komm bloß nicht auf die Idee, es mit einem Showdown zu versemmeln! Überlass ihn mir.«
Niki wollte widersprechen, doch schon öffnete sich die Lifttür. Ängstlich drückte sie sich an die Rückwand des Aufzugs. Schon allein der Gedanke, dass Wolfgang vor ihr stehen könnte, fegte sie fast von den Füßen.
Walburga checkte rasch den Empfangsbereich. »Alles clean. Niki, du versteckst dich auf dem Sofa hinter der Säule da. Wenn du Theater machst, bist du tot.«
Das war eine klare Ansage. Während Niki ihren Beobachterpostenbezog, sah sie, wie Walburga zur Rezeption ging. Jetzt, in der Mittagszeit, war nicht viel los. Der Pianist klimperte einsam vor sich hin, und nur ein einziges Dirndlmädchen mit blonden Zöpfen stand hinter dem Tresen. Walburga stützte ihre Ellenbogen darauf und lehnte sich vor.
»Na, Blondie, hat sich mein alter Freund Wolfgang Michels schon gemeldet?«
»Das kann man wohl sagen«, erwiderte die Hotelangestellte. »Er sucht seine Frau. Ich habe ihn gerade zu ihrem Zimmer geschickt. Er war ziemlich außer sich.«
»Soso.« Walburga griff sich zwischen die Brüste und holte einen grünen Schein heraus. Sie fächelte sich damit Luft zu.
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