Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
angstvoll.
»Nein, nein«, wehrte Frau Doktor König ab. »Bei Ihrem niedrigen Blutdruck ist das Infarktrisiko eher gering. Aber Sie sollten aufpassen. Vor allem wegen des Altersdiabetes. Das ist kein Spaß, glauben Sie mir.«
Sie tätschelte Nikis Arm, dann verschwand sie in einen Nebenraum. Niki ließ ihren Kopf in das Lederpolster fallen. An den Wänden hingen Landschaftsaquarelle mit zart ineinanderfließenden Farben, zart wie Marios empfindsame Hände. Doch in diese himmelhochjauchzende Erinnerung mischten sich die Neuigkeiten, die sie gerade erfahren hatte. Nichts ist so, wie es scheint, dachte sie. Ausgerechnet der gestrenge Doc Mannheimer ist schwach geworden. Aus Liebe! Das rührte Niki.
Gedankenverloren sah sie aus dem Fenster in den unwirklich blauen Himmel, an dem nur ein paar niedliche Schäfchenwolken vorüberzogen. Crazy world. Alles lag so nah beieinander: tiefstes Unglück und himmlische Gefühle. Nichts passte zueinander. Ob das so bleiben würde? Ihr Leben, ein Tausend-Teile-Puzzle, in dem sich nichts ineinanderfügte?
Zwanzig Minuten später entfernte Frau Doktor König die Kanüle. »Das bleibt aber unter uns, ja?«, raunte sie. »Was ich Ihnen eben über Doktor Mannheimer erzählt habe.«
Niki nickte, und die Ärztin klebte ein Pflaster auf die Einstichstelle. »Kommen Sie jederzeit wieder, wenn Sie sich schlecht fühlen. Kopf hoch, Sie sehen schon viel besser aus!«
Wenig verwunderlich, dass Niki besser aussah. Einmal Kosmos und zurück, das ging ja wohl nicht spurlos an einemvorbei. Wer auf so einem Hormonhoch surfte, musste ja wie das blühende Leben aussehen.
Leider war es jetzt Zeit für Doc Mannheimer, den Schrecklichen. Mit weichen Knien machte sich Niki auf den Weg zu seinem Sprechzimmer. Wieder musste sie an seine Tragödie denken. Wie hart war er für seine Nachsicht bestraft worden. Vielleicht hatte ja auch Peggys Kälte einen Grund, vielleicht hatte sie schlechte Erfahrungen hinter sich. Es gab genug Männer, die mit Frauen den Boden aufwischten. Niki nahm sich vor, ihre Tochter danach zu fragen, bald schon. Es gab viel nachzuholen.
Vor der Tür zu Doktor Mannheimers Sprechzimmer saß Walburga, hingegossen in einen Korbsessel, der unter ihrem Gewicht fast zu zerbrechen schien. Sie trug einen weinroten Jogginganzug und blätterte in einer Modezeitschrift. Als sie Niki sah, warf sie die Zeitschrift beiseite und stand auf.
»Da bist du ja«, lachte sie. »Mario hat dich in den Kosmos katapultiert, richtig? Das sieht man dir an, Süße. Bist ja voll auf Nachbrenner.«
»Nee, ich bin mal wieder eingeschlafen«, schwindelte Niki. »Bin total übernächtigt, weil du so laut schnarchst.«
»Ich schnarche nicht«, widersprach Walburga entrüstet. »
Du
schnarchst!«
»Fehlanzeige, ich habe noch nie geschnarcht. Aber abgesehen davon – was machst du eigentlich hier?«
Walburga hob süffisant eine Augenbraue. »Ich dachte mir, bei Doc Mannheimer kannst du Verstärkung gebrauchen, so wie der gestern getobt hat.«
Gemeinsam betraten sie das Sprechzimmer. Doktor Mannheimer telefonierte. Missbilligend schaute er Walburga an, die sich neben Niki auf einen Stuhl setzte und lässig die Arme hinter dem Kopf verschränkte.
»Ja, ich reise am neunzehnten an und bleibe zwei Tage«, sagte er gerade. »Alles weitere besprechen wir, wenn ich da bin.«
Er legte sein Handy auf den Schreibtisch und faltete die Hände. »Ich habe einen Termin mit Frau Michels. Von Ihnen war nicht die Rede, Frau Maletzke.«
»Ich freue mich auch, Sie zu sehen«, erwiderte Walburga. »Bin heute als Schutzengel dabei. Damit Sie nicht zu tief in die Psychokiste greifen.«
Wieder lag etwas in der Luft, was Niki nicht recht deuten konnte. Doktor Mannheimer zerschredderte Walburga mit den Augen, doch man spürte eine Aggression, die eher sportlich war. Oder sogar – flirtig? Alpha Male trifft Powerfrau, dachte Niki. Heiße Kombination.
»Sie nehmen Ihre Schweigepflicht aber sehr genau«, setzte Walburga nach, als er nicht reagierte. »Von mir aus können Sie ruhig anfangen.«
»Sie gehen!«, bellte Doktor Mannheimer. »Sofort!«
»Weil …?«
»Weil ich es sage!«
»Das nenne ich filigranes Denken«, kicherte Walburga. »Bei einem Mann Ihres Intellekts wäre ein bisschen mehr fällig.«
Doktor Mannheimer nahm seinen Kugelschreiber undstach damit in Walburgas Richtung. »Für Sie gilt dasselbe wie für Frau Michels: Wenn Sie sich nicht an die Regeln halten, muss ich Sie aus der Klinik entfernen.«
»Oh, Sie
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