Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
hätte sich um sie gerissen. Niki und Walburga setzten sich auf den Boden und beobachteten sie.
»Jetzt mal ehrlich«, flüsterte Walburga, »willst du so enden wie die? Dünn wie eine Heuschrecke und in etwa so sympathisch?«
Niki musterte die erschreckend sehnigen Arme der Yogalehrerin, ihre eingefallenen Wangen und die mageren Insektenbeinchen.
»Nee, sooo dünn nun auch wieder nicht.«
»Also, ich habe mir zehn Kilo minus verordnet, dann ist Schicht«, sagte Walburga. Sie zeigte auf ihren fülligen Bauch. »Die Plätzchenplauze muss weg. Ich will wieder in das Kleid passen, für das ich mal eine Monatsmiete verschossen habe.Designerteil, schwarz, mit Pailletten. Rattenscharfe Angelegenheit. Ich hab’s dabei. Wenn alles gutgeht, trage ich es am letzten Abend.«
Niki konnte sich lebhaft vorstellen, wie sexy ein Kleid war, das selbst Walburga als scharf bezeichnete. Insgeheim bewunderte sie ihre Freundin dafür, wie hemmungslos sie ihre Pfunde zur Schau stellte.
»Wann ist denn dein letzter Abend?«, fragte Niki.
»Ich hab vier Wochen gebucht, Schätzchen. Und du?«
»Dito. Dann können wir ja zusammen feiern. Falls es etwas zu feiern gibt.«
»Davon gehe ich aus. Walburga reckte ihre Arme in die Höhe und gähnte. »Schimmlige Scholle! Hab ich einen Hammerhunger!«
»Frag mich mal«, schnaubte Niki. »Der ewige Gemüsemampf kommt mir schon zu den Ohren wieder raus!«
Während sich der Raum allmählich füllte, betrieb Niki ihre Studien. Es gab alle möglichen Sorten dicker Menschen. Für Dünne mochten sie alle gleich aussehen, doch es gab interessante Variationen. Manche trugen ihre Bäuche wie Kugeln vor sich her, andere schleppten übergroße Hinterteile mit sich, wieder andere stampften auf säulenartigen Beinen durch die Gegend. Für Niki traf im Grunde alles gleichzeitig zu. Aber sie war bei weitem nicht die Dickste in diesem übergewichtigen Ensemble, wie sie erleichtert feststellte.
»Was hast du eigentlich als Köchin so drauf?«, riss Walburga sie aus ihren Gedanken.
»Alles, was das Herz begehrt«, antwortete Niki. »Vom Eintopf bis zum Hühnchen in Rotwein, vom Kartoffelsalat bis zum Orangenparfait.«
Walburgas Lider senkten sich begehrlich. »Wow. Und was ist deiner Erfahrung nach das beste Bohrfutter?«
»Das – was?«
»Na, das Essen vorm Sex«, gluckste Walburga. »Wenn du einen Mann ins Bett kochen willst, was servierst du ihm dann?«
So hatte es Niki eigentlich noch nie gesehen. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, was Wolfgang gefallen hatte. Damals, als sie noch aufwendige Candlelight-Dinners zelebriert hatte, um ihn für immer an sich zu binden. Nach dem ersten Käseabend hatte sie wahre kulinarische Feuerwerke abgebrannt.
»Nun ja, es sollte Fleisch dabei sein, viel Fleisch, das lieben Männer. Außerdem exotische Gewürze, die überraschen ihn. Dann denkt er, aha, die Frau hat Fantasie – in der Küche wie im Schlafzimmer. Das Ganze nicht zu schwer, aber handfest, apart, nicht zickig. Und einfach zu essen, ohne Hummerzange oder so was. Sonst denken die Männer, dass eine Frau kompliziert ist.«
Walburga lauschte gebannt. »Hey, da spricht ja eine Expertin. Hast du mal daran gedacht, professionell zu kochen?«
»Als ich noch meine Kochlehre machte, ja. Ich träumte damals von einem eigenen kleinen Restaurant. Nur sechs Tische und jeden Abend ein anderes Menu. Doch als ich dann geheiratet habe, kam das nicht mehr in Frage«, erzählteNiki. »Wolfgang war der Meinung, dass seine Frau nicht arbeiten muss. Und als Peggy geboren wurde, hatte ich alle Hände voll mit ihr zu tun.«
»Wär jedenfalls ein Geschäftsmodell«, sagte Walburga nachdenklich. »Nach dem Motto: Wie koch ich einen Mann in die Kiste?«
»Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«, unterbrach Beate Grossmann die Unterhaltung. Sie klingelte mit einem kleinen Glöckchen wie der Nikolaus vor der Bescherung. »Gerade hinstellen. Wir beginnen mit dem Baum!« Den Baum bekam Niki mittlerweile einigermaßen hin. Folgsam legte sie ihre Handflächen voreinander und hob den rechten Fuß an. Sie kam bis zur Wade, immerhin.
»Nun folgt unser Sonnengruß! Ausatmen, Hände vor die Brust, einatmen, Arme hoch, ausatmen, nach vorn beugen, Handflächen neben den Füßen auf dem Boden ablegen, einatmen«, leierte die Yogalehrerin ihre Anweisungen herunter, als würde sie die Gebrauchsanleitung für einen Staubsauger vorlesen. Bestimmt hatte sie den Text schon millionenfach abgespult.
Niki kam ganz gut mit – bis zu der
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