Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
erweisen. Aber der Silberstreifen am Horizont wurde breiter. Und die Tatsache, dass Peggy ins Haus eingezogen war, bedeutete einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. Nach dem Abendessen hatte Niki die Fotos von Wolfgang und seiner Geliebten zerrissen und in den Müll geworfen. Seitdem fühlte sie sich besser. Es kam Bewegung in dieSache, und dafür hatte Walburga wirklich eine Belohnung verdient.
Kurze Zeit später hielt der Fahrer vor einem Laden, der das gesamte Erdgeschoss eines wuchtigen Gründerzeithauses einnahm. Unter blauweiß gestreiften Markisen boten die Schaufenster alle erdenklichen Leckereien dar: Pyramiden aus Kuchenstücken, monströs große Räucherschinken, gigantische Käselaibe, üppig gefüllte Obstkörbe und Schüsseln voller Langusten und Garnelen. Wie ein hungriges Wolfsrudel fielen die fünf Freunde in den Laden ein.
Gleich am Eingang präsentierte ein Kellner ein Tablett mit Champagner, den er der zweifellos zahlungskräftigen Klientel anbot. Sie nahmen alle ein Glas und prosteten sich zu.
»Auf das große Fressen!«, rief Walburga. »Und jetzt gib Gas, Niki!«
»Ich habe schwarze Périgord-Trüffel im Schaufenster gesehen«, schwärmte Leo. »Die sollten wir uns nicht entgehen lassen!«
»Und Langustenschwänze von der französischen Atlantikküste«, juchzte Alexis. »Du liebe Güte, wie habe ich die Dinger vermisst.«
Sie tranken den Champagner in einem Zug aus, dann durchstreiften sie mit knurrenden Mägen den Laden. Man konnte überall probieren, und sie stopften sich alles in den Mund, was man ihnen anbot: Käsewürfel, marinierte Königskrabben, Pralinen.
Niki war unendlich beeindruckt. Dies war ein Esstempel,wie sie ihn noch nie betreten hatte. Ausgesuchte Delikatessen aus aller Welt wurden hier verkauft, appetitlich arrangiert auf schweren Holzregalen und in meterlangen Kühltheken. Der Duft von frisch gebackenem Brot mischte sich mit dem Geruch von Gewürzen, Käse und Fisch. Zwischen den Regalen wuselten hübsche weibliche Angestellte mit weißen Rüschenschürzen herum und schleppten die Einkaufskörbe der Kunden.
Zunächst arbeitete sich Niki zur Fleischtheke vor. Dort gingen ihr die Augen über. Dunkelrote, marmorierte Filetsteaks lagen neben Bergen von Kalbskeulen und Wachtelbrüsten, übertrumpft von einem ganzen Lammrücken.
»Schlag zu«, raunte Walburga ihr zu. »Wir legen alle zusammen, du musst nichts zahlen, nur kochen.«
Und Niki schlug zu. Erst beim Fleisch, dann beim Fisch, danach in der Obst- und Gemüseabteilung. Anschließend wanderten unzählige Becher mit Sahne und Crème fraîche in die Einkaufskörbe, dazu Butter, Eier, Mehl und Zucker. Drei knusprige Baguettes, Kirschwasser, Grand Marnier und zehn Tafeln dunkle Schokolade rundeten den Einkauf ab.
Leo, der ein ausgemachter Weinkenner zu sein schien, erkundigte sich bei Niki nach dem Menu. »Du musst mir nicht alles verraten, nur ungefähr, damit ich die passenden Getränke besorgen kann.«
»Na gut: Languste, Seezunge, Rinderfilet, Lamm, Bayerische Creme, Schokoladenkuchen, Orangenparfait«, zählte Niki auf.
»Oha«, Leo schluckte, und seine Augen verschleiertensich. Dann verschwand er für längere Zeit in der Weinabteilung.
Schwer mit Tüten beladen, stiegen sie eine halbe Stunde später wieder in das Taxi.
»Küsnachter Dorfstraße drei«, wies Walburga den Fahrer an, und schon brauste er Richtung See und dann die Uferstraße entlang.
»Bevor wir loslegen, muss ich noch was wissen«, hakte Niki nach. »Was ist mit der Alarmanlage?
»Alles eine Frage der Technik«, erwiderte Walburga triumphierend. »Willkommen im digitalen Zeitalter. Meine Jungs haben sich heute Nachmittag in das Sicherheitssystem gehackt und die Codes geknackt.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer. »Johnny? Ja, ich bin’s. Wir sind gleich da. Leg den Laden lahm. Und aktivier die Anlage erst wieder, wenn ich’s dir sage. Klar so weit?«
»Sag mal, wenn das so einfach ist, könnten deine, äh, Jungs doch jederzeit überall einbrechen«, sagte Leo stirnrunzelnd.
»Tun sie ja auch, aber natürlich nur in Notfällen«, rechtfertigte sich Walburga. »Zum Beispiel, wenn Kunden nicht zahlen wollen.«
»Das ist kriminell!« rief Niki.
»Nee, ausgleichende Gerechtigkeit. Und wir wollen ja heute nichts mitgehen lassen, nur einen schönen Abend haben«, gab Walburga zu bedenken. »Danach bringen wir alles wieder auf Vordermann. Glaub mir, wir werden die Bude sauberer hinterlassen, als wir sie
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