Das blaue Buch - Roman
Hintergrund und die Porträtierten verdeckt: ihre Nervosität, ihre Entschuldigungen, ihre Versuche, die Enttäuschungen der Wirklichkeit zu verwässern.
Er möchte also, dass ich lieber ihn anschaue – posiert selbst. Und als was? Als einsam und verstohlen. Keine empfehlenswerte Kombination, finde ich.
Und wir sind sieben Tage zusammen auf diesem Scheißschiff …
»Geht es Ihnen gut?« Er hat sich umgezogen, Jeans und Hemd, doch sein Schuhwerk ist immer noch sehr formell – glänzend schwarze Oxfords – und er wirkt eher noch unentspannter – an Armen und Brust das Zucken und Zittern großer Anspannung.
Sieht aus wie ein Polizist außer Dienst. Oder ein Soldat – ein Offizier, der zivil erscheinen will – aber der Lotterlook ist gar nicht verlottert, sondern eine Haltung, geplant.
Er schaut auf seine Füße, seine Schienbeine, schüttelt dann den Kopf. »Ich heiße Arthur Lockwood, nennen Sie mich Arthur, und ja , ich kleide mich nicht gut leger – formell kann ich viel besser, aber immerhin habe ich keine …« Er verlangsamt seinen Satz bis zu der Pause, in der sie ihm helfen könnte, ihn zu beenden …
Und Elizabeth würde ihm eigentlich lieber nicht helfen, tut es aber auf jeden Fall doch: »… Bügelfalten in der Jeans.« Sie hatte sich zu stark darauf fixiert, nicht zu kooperieren.
Das Denken beschwört das Tun herauf – weißt du doch – und was du dir am strengsten verbietest, das muss hängenbleiben, sich festklammern. Es hängt herum wie ein öder und unangenehmer Mann.
»Ja, dafür wäre ich der Typ, oder? So wie Ihr Mann der Typ dafür ist, sich in seine Pullover zu winden und zu zerren, als sei er erst fünf und brauche die Hilfe seiner Mama, um die Ärmel zu finden. Liebenswert , würde man denken.« Arthur Lockwood, nennen Sie mich Arthur, lächelt sie mit ungetrübter Aufrichtigkeit an, und es ist schwierig, sich von jemandem beleidigt oder gestört zu fühlen, der das warm, wirksam und sorgfältig vorgeht.
»Er ist nicht mein Mann.«
»Wirklich nicht? Hätte ich gedacht. Wussten Sie übrigens, dass sich bisher dreihunderteinundsechzig Personen haben fotografieren lassen? Ihr Mann nicht auch?«
»Nein. Dreihunderteinundsechzig. Ich hätte gedacht, das ist zu viel, wären zu viele. Er ist nicht mein Mann.«
»Ich könnte mich auch irren. Tue ich oft. Na ja, nicht oft.« Er zuckt die Achseln, erschauert wie ein Mann mit Nackenschmerzen und lässt seine Konzentration an ihr vorbeiflattern, womöglich in einen erregenden, melancholischen Raum. »Aber wenn ich mich irre … dann liege ich gleich unfassbar daneben . Wenn er derzeit nicht mit Ihnen verheiratet ist, dann hat er Sie natürlich mit der Absicht an Bord und auf See gelockt, Ihnen einen Antrag zu machen. Würde ich jedenfalls tun. Wenn ich er wäre. Was ich nicht bin.«
Elizabeth wusste das, weiß das: – dass Lockwood nicht Derek ist, und dass Derek auf irgendetwas hinsteuert – er ist reizbarer als sonst, bedürftiger und empfindlicher – sie hat es nicht bemerken, nicht benennen wollen – Heirat – aber das ist mit großer Sicherheit das Zielvorhaben, das ihr Partner mit an Bord geschleppt hat. Es wird eine Zeit kommen, da er fragen wird, und sie wird antworten müssen. Zweifellos wird irgendwo für genau solche Gelegenheiten Champagner aufbewahrt. »Ich glaube, das stimmt nicht.«
»Er hat Sie nicht gelockt?« Lockwood wirft ihr rasch einen klaren Blick aus großen Augen zu. Er zwinkert. »Ach so … Sie haben ihn gelockt.« Und er wirft sein Interesse wieder an die Wand über ihrer Schulter. »Wie außerordentlich – ich komme nicht auf das rechte Wort … informativ . Ach, und ja …« Lockwood macht auf dem Absatz kehrt, und Elizabeth dreht sich mit, bis sie Derek erblickt, der mit einem Papier in der Hand näher kommt. Er hält es hoch – was Lockwood veranlasst, sich zu ihr zu beugen und zu murmeln: »Wie Chamberlain nach München …«, ehe er sich einen Schritt entfernt und Derek einen festen Händedruck aufnötigt, der die handgeschriebene Liste des heutigen Filmprogramms leicht zerknittert, wenn auch nicht unleserlich macht.
»Hallo. Arthur Lockwood, nennen Sie mich Arthur – wollten Sie zum Büfett, weil Sie sich, und das soll jetzt in keiner Weise abträglich klingen, offenbar beide gegen die passende Garderobe fürs Dinner entschieden haben, und ich natürlich auch, so wie es mir eben möglich ist, und da könnten wir ja zusammen hingehen, wenn es Ihnen nichts ausmachte .« Er betrachtet sie
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