Das blaue Buch - Roman
seid ein Liebespaar – ihr liebt , davor gibt es keine Rettung – und zweifellos wirst du am Ende mit ihm das Sofa kaufen gehen, in vielen Geschäften suchen und nirgendwo das perfekte finden können – und nur das Vollkommene kann eure Liebe richtig repräsentieren – oder als Dekoration und Möblierung eurer Liebe dienen – und schließlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass ihr müde werdet – das möchtest du dir nicht vorstellen, dir nicht wünschen – aber wenn ihr beide erschöpft seid und euer Blutzuckerspiegel niedrig, dann ist es fast unvermeidlich, dass ihr euch streitet – vielleicht nicht schlimm, aber dann womöglich schlimmer, und dem wird so ein schwebender Widerwillen, eine Unzufriedenheit folgen – und vielleicht steht im allerletzten Möbelladen noch eine Tischlampe, die du nicht leiden kannst – du verabscheust sie, und du kannst mit deiner Meinung nicht hinterm Berg halten, es ist schließlich deine, das Völkerrecht schützt deine freie Meinungsäußerung – doch dein Geliebter mag die Lampe, das ist seine Meinung – er betet sie an, besteht darauf, dass sie herrlich sei, und das lässt euren Streit wieder aufflammen, verschärft ihn zu Bitterkeit und Wut und löst zusätzlich die Aufwallungen von Hingabe, Hinnahme, Absprachen, Gleichheit und Schutzlosigkeit, erschreckendem Risiko, und dieser ganze Berg ist unüberwindlich und stürzt schwer auf dich herab, und ehe du noch schreien oder es verhindern kannst, hast du die Lampe in der Hand – die tragische, frustrierende, herrliche, widerliche Lampe – und hast ihn geschlagen, hast ihn direkt auf seinen wundervollen Kopf getroffen, und er blutet – er weint, und du schlägst ihn wieder – du tust ihm weh und machst ihm Angst, was für ein Albtraum, lieber würdest du dich erschießen – obwohl du natürlich keine Pistole hast, du bist auch ohne gefährlich genug – und Gott weiß, du hast keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte, aber du schlägst immer noch auf ihn ein, auf deinen Liebling, denn so vermeidest du das neuerliche Warten, auf das Scheitern von allem Schönen in deinem Leben, vom Süßesten, was es darin gab – stattdessen hast du ihm ein sauberes Ende bereitet.
Du hast ihn umgebracht.
Denn er war viel zu außergewöhnlich.
Du hast den einzigen Mann ermordet, den du je zu lieben versucht hast.
Und es braucht einen langen Atemzug, sich das vorzustellen, es zu sehen, zu betrauern, zu begreifen.
Und aus diesem und vielen anderen Gründen solltest du ihn vor dir retten.
Du solltest seine Hand nicht nehmen und ihn nicht küssen. Eure Münder sollten nicht die Form der Liebe annehmen und nachahmen.
Aber du nimmst seine Hand, und du küsst ihn.
Natürlich.
»Oh, das kannst du aber nicht machen …«
Elizabeth öffnet die Augen und stellt fest, dass sie auf dem Rücken liegt.
Alles Unsinn.
Ich stecke voller Unsinn.
Die Decke hängt ordentlich über ihr, unaufdringlich cremefarben und still.
Wo wäre ich nur ohne Unsinn.
Hier.
Sie runzelt die Stirn, verwirrt vom Gefühl, ohne Vorwarnung von irgendwoher hereingerannt und außer Atem zu sein. »Was kann ich nicht …?«
»Du kannst doch nicht einschlafen. Noch nicht.« Derek sitzt neben ihr auf dem Bett. Die Matratze sinkt nur leicht ein – sie ist aus hartem, seefestem Stoff gemacht. »Wir müssen herumschlendern und uns mit den Örtlichkeiten vertraut machen. Dann sollten wir zu Abend essen. Wenn du willst.« Er hebt ihre Hand, küsst sie auf die Fingerknöchel. Das ist nett, aber erweckt auch langsam und von Weitem den Eindruck, als würde sie ihn mit der Faust auf den Mund schlagen. »Ich habe ziemlichen Hunger. Hast du Hunger? Wir haben die ›Wassernahme‹ schon verpasst – unsere Teilnahme am Dinnerpalaver am Kapitänstisch – aber es gibt noch irgendwo ein Büfett. Mir wäre das Büfett lieber …«
»Ähm … Ich werde Hunger kriegen, wenn wir geschlendert sind.« Sie schaut auf die Armbanduhr. »Meine Güte, schon halb zehn. Habe ich geschlafen? Ich dachte, ich hätte nicht geschlafen, aber muss ich wohl. Jedenfalls … Ja. Lass mich schnell duschen, und dann gehen wir los und erkunden die Lage.«
Ehe sie sich aufrichten kann, vergräbt er sein Gesicht an ihrem Hals. »Das hier wird gut, oder?«
Er ist ein reizender Mann, kann ganz süß sein, und er möchte sich an etwas Erfreulichem erfreuen, einer lustigen Seefahrt in netter Gesellschaft. Das ist nicht anmaßend.
»Ja. Es wird gut.«
AUF DEM DECK, das Beth im Kopf »Begegnungsebene«
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