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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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hüpft und zuckt. Man hört den gelegentlichen leisen Aufprall und die verschwommene Melodie herzlichen Geplauders oder Mitgefühls oder Guten Morgen. Und die Mitglieder der Crew werden lächeln, weil das vorgeschrieben ist, und sie werden ohne Ende polieren und Staub wischen und lackieren und streichen, denn auch das ist vonnöten und seemännisch – sonst würde das Chaos triumphieren, Wasser und schlechtes Wetter würden das Schiff zerfressen.
    Beth versucht, in ihrer Kabine zugleich herzlich und mitfühlend zu sein, und Guten Morgen hat sie schon gesagt. »Du bist auf dem Weg der Besserung.« Das Chaos in Schach halten.
    »Ganz bestimmt nicht.«
    »Du siehst nicht mehr so grün aus.«
    »Ich habe Kopfschmerzen, das kannst du dir nicht vorstellen.«
    »Dehydriert. Du musst mehr trinken.«
    »Wenn ich mehr trinke, muss ich spucken.«
    Sie beschließen, dass Ankleiden aufmuntern könnte, also hilft Elizabeth Derek, seinen durchgeschwitzten Pyjama loszuwerden, geleitet ihn aufmunternd in die Dusche und nickt, als er sich im karierten Flanellhemd und alter Cordhose wieder auf dem Bett niederlässt.
    Er zieht die Knie hoch, sein Blick schwach wütend. »Was gibt es da zu nicken? Untersuchung bestanden oder was? Ich musste schließlich alles selber machen. Diese Dusche ist ein Scheißwitz – als ob einen von oben ein hässlicher Vogel anpisst.« Normalerweise redet er nicht so grob – er versucht sie zu ärgern.
    Es ist gut, dass er genug Energie hat, sie zu ärgern – aber es ist auch ärgerlich.
    Sie reibt ihm den Arm. »Man sagt, den Horizont anzusehen – «
    »Wer sagt das?«
    »Weiß ich nicht mehr. Ich glaube, ich habe es im Radio gehört.«
    »Glaubst du …«
    Er ist beleidigt und beleidigend, aber das ist in Ordnung; sie kennt ihn und ist sicher, bei einem gebrochenen Bein oder einer ernsthaften Infektion wäre er edelmütig; wenn er mit etwas Würdevollem fertigwerden müsste. Seekrankheit ist geschmacklos und jämmerlich und dennoch überwältigend, sie wirft ihn aus der Bahn.
    Trotzdem erlaubt sie sich: »Wenn du dich so arschig benehmen willst, dann kannst du auch gern bleiben, wo du bist. Aber rauszukommen und auf den Horizont zu blicken, das soll helfen, und wir könnten es doch versuchen, oder? Den Meter von hier bis zum Balkon wirst du ja wohl schaffen, dann könnten wir ja sehen, was passiert.«
    »Ich werde eine Lungenentzündung kriegen, das wird passieren.« Aber er grinst – ein tapferer, halbherziger kleiner Versuch – der brave Junge gibt sein Bestes.
    Derek ist ein Kämpfer: steigt in den Ring und schwingt die Fäuste, auch wenn es gar kein Ziel zu treffen gibt.
    Ein Fighter, kein Lover.
    Wie kommt es, dass Rock’n’Roll gerade diese beiden Wahlmöglichkeiten bietet?
    Wieso nicht Ich bin Buchhalter und kein Kämpfer …?
    Und wieso konzentrierst du dich verflucht noch mal nicht auf die nächstliegende Aufgabe?
    Sie schwankt mit Derek über den Teppich, Arm in Arm, beide nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte.
    Lover : Fighter – man hat die beiden verletzenden Tätigkeiten gewählt. Liegt auf der Hand. Die tödlichen Unternehmungen, die Verheerungen bieten mehr Drama.
    Und was sind wir? Jeder eins von beiden? Beide beides?
    Sie fällt beinahe und verkompliziert, wie zu erwarten, die Gründe dafür.
    Es liegt nicht am Meer. Ich wäre auch sonst unsicher auf den Beinen.
    Dreckskerl.
    Erholung – die dürftest du doch nicht schon brauchen, bloß weil du jemanden angesehen, ihm zugehört, seinen Arm berührt hast.
    Ich dachte immer, ich hätte mich so kaputt gefühlt wegen der physischen Anstrengung, der Leibesübungen – schönes Wort dafür – wegen der zwei oder drei Tage Sex vor dem hochklassigen Hintergrund seiner Wahl. Ich dachte, daran liegt es.
    Das Luxuspoppen.
    Und Gott weiß, wie er hier an Bord untergebracht ist – oder was er ursprünglich geplant hat. Vielleicht hatte er vor, mich hier zu verstecken, während seine Suite das Schiffseinhorn und das Lapislazuli-Bad und das Fabergé-Bett zu bieten hat … oder vielleicht hätte er uns auch in einen gemeinsamen Sarg gesperrt, ohne Täuschungsmanöver: sechs Nächte und sieben Tage im selben Bett.
    Hat Fabergé auch Betten gemacht?
    Ach, Scheiß drauf.
    Beth haut mit den Fingerknöcheln gegen den Balkontürrahmen, hart genug, um ihre Gedanken zu ordnen.
    »Vorsichtig.« Derek schafft ein Grinsen. »Wir müssen uns nicht nach draußen boxen.«
    »Hm? Nein, nein, natürlich nicht … Dumm von mir. So, hier lang …«
    Nadelfeiner

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