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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Regen begrüßt sie, als sie ins Freie treten. So frei ist es allerdings gar nicht, auch nicht besonders wild: Auf beiden Seiten sind sie von Sichtblenden eingeschlossen und oben vom darüberliegenden Balkon geschützt. Sie werden nur leicht gebeutelt, es sei denn, sie beugen sich über die Reling und betteln um Schläge. Was Elizabeth tut.
    Wie Ohrfeigen.
    Die ich nicht mag.
    Und ich muss auch gar keine Buße tun.
    Bin schon gestraft. Arthur zu treffen ist immer Strafe genug – Lust und Schmerz und sofortige Bezahlung für beides.
    Er hat es gern, wenn alles selbstgenügsam ist – auch wenn es meine Angelegenheiten sind.
    Ich bin so selbstgenügsam, dass ich schreien könnte – das macht es leichter, ihn zu verlassen – und fast unmöglich. Jedes Mal.
    Sieben Tage und sechs Nächte.
    Das wäre nicht zu überleben gewesen. Keine Ahnung, was er sich dabei gedacht hat – aber ich kann raten. Wieder eins seiner bescheuerten Spielchen.
    Liebes tage.
    Und Schlaf-mit-mir -Nächte.
    Liebe s tage.
    Und Nächte des Verrats .
    Kommt bei der Kundschaft ziemlich häufig vor – sechs – Verrat ist so verbreitet. Wie Sex. Passt wie die Faust aufs Auge.
    Sieben und Sechs ist zu lang, egal, wie man es sagt.
    Sieben und Sechs macht dreizehn, und die bringt Unglück.
    Alles bringt Unglück.
    Denn das Problem ist er, nicht das, was wir tun – ihm zu nahe zu sein – das macht mich krank.
    Verdammter Arthur – er ist wie eine Grippe.
    Idealerweise sollte Beth sich mit Derek auf die beiden zur Verfügung stehenden Metallstühle setzen – genau richtig für ein Paar – mit passendem Metalltisch – und auf die erfrischende Umgebung hinausschauen. Sie hat sogar ein Handtuch mitgebracht, um alles abzuwischen, aber der Regen legt sich sofort wieder auf jede Oberfläche, die sie abtrocknet, und nach einer Weile sagt Derek, sie solle aufhören. »Wir können uns anlehnen. Anlehnen ist gut.« Und er lehnt sich gegen die geschlossene Tür, verschränkt die Arme, betrachtet den fernen Horizont mit anscheinend tatsächlich wohltuendem Effekt.
    Elizabeth kehrt ans Geländer zurück, sieht das Meer um sie herum Hügel aufwerfen, in Spalten aufreißen, Bruchlinien bilden, als wäre das Schiff in eine Schüssel aus schwarzem Glas gesperrt und würde unablässig gegen eine solch gläserne Höhe und Tiefe anhämmern.
    Und sie hätte nicht den ganzen Kaffee trinken sollen, hätte die Kanne nicht systematisch leeren sollen, um sich irgendwie zu beschäftigen, denn jetzt drängelt das Koffein in ihr, ruft Intensitäten auf, die sie sich nicht leisten kann.
    Die schlaflose Nacht mit genau dem Mittel abschütteln, das mir die nächste garantiert und was außerdem Panik unter meiner Haut reiben lässt. Ich werde es nie lernen.
    Eindeutig.
    »Möchtest du auf Erkundungstour gehen?« Derek wirkt rosiger und gefestigter. »Ich könnte es schaffen …«
    Was eine gute Idee ist. Bewegung wird beruhigen.
    Und dem Rest des Schiffes aus dem Weg zu gehen, würde exzentrisch, unerklärlich wirken. Wieso sich also nicht die Decks anschauen? Das sollte gleichermaßen informativ wie anregend sein. Man könnte sogar ein Mittagessen riskieren. Ein Versuch …
    »Elizabeth?«
    Irgendwie ist so viel Tag verstrichen, dass es beinah spät genug fürs Mittagessen ist.
    Sie hört Derek sich bewegen, die Balkontür aufziehen. »Ich hoffe allerdings, wir begegnen diesem Typen nicht wieder – dem Fleischesser. Auf den könnte ich verzichten.« Wildes Wetter springt die Kabinenvorhänge an, lüftet die Schiffszeitung, setzt zu leisem Heulen an, als es in ihr Zimmer dringt und weiter ins Schiffsinnere.
    Beth nickt, das Gesicht immer noch dem Meer zugewandt, von dem sie sich wehtun lässt.

DAS SCHIFF HAT sich ohne sie amüsiert. Sie haben bereits Bridge- und Computerkurse verpasst, mehrere Vorträge über Gesundheit und Schönheit (natürlich für die Damen) sowie über Seefahrtsgeschichte und Maschinenbau (noch natürlicher für die Herren), und mindestens ein Quiz.
    Und das Bingo.
    Aber nirgendwo ist es so fotogen geschäftig, wie es sein sollte. Auf den Decks, in den Freizeitbereichen und den Geschäften hängt eine Aura aufgegebener Hoffnung. Gebeugte Passagiere sitzen hier und da und betrachten erstarrt ihr eigenes unzuverlässiges Innenleben. Gesunde Frauen vermelden den Gesundheitszustand ihrer mitgenommenen Gatten über deren Köpfe hinweg. Gesunde Männer verschlingen im liebevoll nachgebildeten Olde Englishe Pub verschämt Tellerladungen Sandwiches, während ihre

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