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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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emotionalen Gepäck.
    Was sollte ich wohl sonst damit meinen?
    Herr im Himmel.
    Und obwohl die Plumpheit ihres Unterbewussten sie zusätzlich empört, reagiert sie auf die Szene und versucht, Arthurs Schmerz wiedergutzumachen – doch sie kommt nicht durch, kann ihn nicht berühren – da sind auf einmal Menschenmassen, die sich einmischen. Sie kann ihm keinen Trost bieten. Es bleibt nur dieser offensichtliche, anklagende Schaden: Er schluchzt, die Arme um ihre Tasche geschlungen, und wiegt sich, schaudert – und dann wühlt er in seinen Taschen, verzweifelt, will ihr unbedingt etwas zeigen, kann es aber nicht finden.
    Sieben.
    Nicht meine Schuld.
    Sieben.
    War ein Unfall.
    Acht.
    Oder es war seine eigene Schuld, weil er verdammt noch mal im Weg stand, weil er überhaupt hier ist.
    Er sucht nach der Sieben .
    Ich nicht. Ich rechne nicht damit.
    Und es ist nicht meine Schuld, dass er im Weg ist.
    Ist nicht meine Schuld, dass wir einander im Weg sind.
    Seine Hände kämpfen eindeutig mit Taschen, die schrumpfen und sich verschließen.
    Das kommt davon, wenn man Maßgeschneidertes trägt: passgenau und eigenwillig.
    Er hebt den Kopf, blinzelt sie an, ist panisch und verloren. Er weckt sie mit einem Blick.
    Liebe.
    Immer das gleiche, auf jeder Liste.
    Sieben.
    Vergiss jede andere Zahl, man könnte auch eine Sitzung, einen Abend, eine Séance nur damit bestreiten.
    Dabei braucht sie gar keine Nummer. Sie ist die Konstante.
    Egal, wie gut die Fragenden lügen, man sieht es ihnen dennoch an – sieben ist es, was sie wollen, ihr Herzenswunsch. Warum sonst sollten sie kommen? Sie wollen erzählt bekommen, dass die Liebe, die sie gespürt haben, echt war, dass die Grausamkeit unverstandene Liebe war, dass die fehlende Zuneigung nur versteckt war, dass jede Liebe weitergegangen ist, endlos sein wird. Sie wollen, dass die Toten mit Händen und Füßen an sie gebunden sind, in Liebe gekettet.
    Damit erwartet man eine Menge von den Verstorbenen. Eben sind sie noch lebendige Menschen: wankelmütig, albern, nervig, herrlich, fehlerhaft – im nächsten Moment sollen sie perfekt sein, und zufrieden damit, uns für immer anzubeten. Nichts Besseres anzufangen mit der Ewigkeit, als uns zu beobachten, alles zu sehen, was wir sind, und es zu verehren.
    Wo doch niemand alles sehen sollte, was wir sind, weil es nicht zu ertragen ist.
    Sieben.
    Das beste aller Spiele, und irgendwo in jedem Spiel präsent. Sie spielten sich die Sieben zu wie eine Nachricht. Arthur und Beth. Beth und Arthur.
    »Schneewittchen und die sieben Zwerge – der Film hat mir als Kind immer Höllenangst eingejagt – irgendwas hatten die Zwergenmützen an sich – und die Spitzhacken.«
    Ahnungslose ausgeschlossen.
    »Kanalurlaub – mit dem Boot auf dem Avon. Oder auf dem Severn . Nein, auf dem Avon. Nein, auf dem Severn . Vielleicht auf beiden. Ganz schön breit, der Severn . Echt riesig.«
    Bald berüchtigt für sinnloses Geplapper, zusammenhanglose Bemerkungen, falsche Aussprachen …
    »Ich weiß nicht, ob diese Sieben wirklich legal ist.«
    Ahnungslose kriegen das nicht hin.
    »Siebenundfünfzig-Elf – das fand meine Oma toll. Egal, zu welcher Tageszeit man in ihr Schlafzimmer kam – es roch immer überall danach.«
    Den Namen des Duftwassers verändert, um ihn passend zu machen. Nicht Siebenundvierzig-Elf. Das würde nicht passen. Sondern
    Fünf
    Sieben
    Elf
    Komm
    Liebe
    Sei schön
    Aber Menschen ändern sich.
    Sie können nicht endlos bleiben, was jemand anders braucht, das laugt sie aus.
    Darum bin ich müde, müde, müde. Ich habe 888 Gründe, müde, müde, müde zu sein.

BETH STEHT AUF, duscht leise, setzt sich in ihrem Schiffsbademantel hin und sieht den nächsten Tag in verschiedenen Schieferschattierungen anbrechen. Das unregelmäßige Rasseln des mächtigen Wetters beruhigt sie, wie es zunächst das Rückgrat des Schiffs und dann ihres durchrüttelt.
    Sie starrt und stellt sich nichts vor, ein beiges Nichts, bis sie hört, wie Derek sich regt. Dann bestellt sie beim Zimmerservice Kaffee – kein Frühstück, das wollen sie beide nicht – und dann geht sie zum Bett, um ihren Partner zu bewegen – ihren bei der US-Einwanderungsbehörde und der Reederei offiziell registrierten Partner, der Mann, mit dem sie zusammen sein sollte und derzeit auch zusammen ist – fängt an, ihren Partner zu Wasserschlucken und noch einer Tablette zu überreden.
    Vor Beths Kabine staksen die Passagiere, stoßen mit den Schultern an die Wände, während das Schiff

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