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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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– sieht sehr gut aus. Sollten Sie mit uns essen. Ist das jetzt beschlossen? Ich glaube, es sollte beschlossene Sache sein.« Während er das sagt, schaut er weg und ist übermäßig erfreut über das, was ihr Mittagessen werden sollte. Er konzentriert sich voll und ganz darauf und erlaubt ihr so, unbeobachtet zu sein, verstärkt jedoch einen Moment seinen Griff, um ihr zu zeigen, dass immer noch an sie gedacht wird, ehe er loslässt. »Wenn Sie vielleicht die Trauben holen könnten …?« Was ihr gestattet, sich in Bewegung zu setzen und gerade genug von seinem nächsten Lächeln zu erhaschen und zu erkennen, dass es zu forschend ist. Wenn er sich tatsächlich um sie sorgt, dann sollte sie das nicht sehen. Sonst weiß sie, sie muss weinen.
    Francis besorgt ein Tablett und nimmt erfreut die Trauben entgegen, sieht Elizabeth kurz und scharf in die Augen, reicht ihr dann das fertige Sandwich und führt sie durch den Raum zum gemeinsamen Tisch, den sie mit einer Dame teilen, die tatsächlich Bunny heißt.
    Elegante silberne Halskette – hat er für sie gekauft: Sie hat noch anderen Schmuck, aber dies ist ihr Lieblingsstück – es hat offensichtlich Bedeutung und Süße – Arthur würde es buchstäblich als süß einordnen, es in Gedanken unter Zuckerwatte, Karamell, Sirup einsortieren: so in Erinnerung behalten – ich wette, sie hat dazupassende Ohrringe, und heute Abend werden sie sich schick machen, und dann wird sie die anlegen. Sie werden tanzen. Sie sind sicher beide gute Tänzer – waren in den Sechzigern schon erwachsen und dabei, also wissen sie, wie es geht. Aber elegant – das sieht man nicht oft, nicht in Wirklichkeit. Sie sollte allerdings kein Schwarz tragen – darin sieht sie elend aus.
    Bunny geht es elend.
    »Es klingt albern, das ist uns klar.« Die Frau genauso liebenswürdig wie ihr Mann. »Sie können darüber lachen, wenn Sie wollen. Das ist in Ordnung.« Das Haar zurückgebunden, aber nicht streng, sondern kompliziert gewunden.
    Es wird ihm gefallen, wenn sie das Haar löst. Wird ihm immer gefallen haben. Bunny, lass dein Haar herunter. So ist’s recht. Danke.
    Der Mann genauso liebenswürdig wie seine Frau: »Wieso sollte sie lachen wollen? Wenn du Ermintrude hießest, das wäre Grund zum Lachen. Aber Bunny ist eine absolut vernünftige Anrede für einen Menschen.« Und er schießt einen schrägen Blick auf Bunny ab, schnell und heiß. »Passender jedenfalls als Doreen, wofür wir uns – wie du sehr gut weißt – nie erwärmen konnten.« Am Ende des Satzes wird seine Stimme zart. »Es gibt so einiges, wofür wir uns nicht erwärmen können.«
    »Francis …« Bunny tadelt, ohne zu tadeln, schürzt die Lippen, um nicht zu lachen. »Wir dürfen unsere neue Freundin nicht erschrecken.«
    »Nein. Nein, das dürfen wir nicht. Und werden wir auch nicht.«
    Keiner von beiden macht das mit Zahlen. Die brauchen sie nicht.
    Elizabeth konzentriert sich aufs Beißen, Kauen, Schlucken, wieder Beißen – auf Brot und Fleisch und Fleisch – während Bunny und Francis weiterhin schlicht und einfach und klar nur das sind, was sie zu sein scheinen, und außerdem entschlossen bleiben, sie so zu nehmen, wie sie ist.
    Sie sind freundlich zu ihr.
    Sie sind ehrlich und unkompliziert freundlich zu ihr.
    Weshalb sie schließlich doch weint.

UND DANN RANNTE Elizabeth weg.
    Was sie eigentlich nicht tut.
    Nicht oft.
    Ich habe ihnen keine Angst eingejagt – Sorge bereitet, aber keine Angst eingejagt – zu viel geweint. Francis hat das erwartet, weshalb Bunny es auch erwartet hat, und: Nein, nein, gar nicht – wir verstehen sehr gut.
    Francis sehr bemüht, zu beruhigen und entschuldigen. »Es ist dieses Wetter. Wirklich scheußlich. Ich werde mit dem Kapitän reden, damit es geändert wird.« So dass ihr Schluchzen sie wirkungsvoller schüttelt als das Deck und sie weg muss, flüchten.
    Sie sollen nicht zusehen, wie ich in Stücke breche. Das kann man einem anständigen Mann, einem normalen Mann nicht antun.
    »Ging uns auch schon so.« Er ist entschlossen zu verstehen.
    Bunny ebenso: »Mir sogar noch schlimmer.«
    »Wir sind beide schon völlig aufgelöst gewesen, und das vor Leuten, die wir noch nie im Leben gesehen hatten. Ehrlich.«
    »Also bleiben Sie.«
    »Ja, bitte bleiben Sie. Es ist gut.«
    Aber keine Chance. Rausgestürmt durch die Tische, nach unten, nach unten, nach unten.
    Scheiße.
    Immer weiter.
    Scheiße.
    Ich versuche nicht bloß, von ihnen wegzukommen, weg von der Hilfe, die sie womöglich

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