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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Gewohnheiten, du praktizierst, was schon deine Eltern oder Großeltern getan haben könnten. Das bedeutet alles nicht, dass du auf irgendwelchen Hokuspokus hereinfallen würdest.
    Auch wenn es nicht für alles eine rationale Erklärung gibt – das weißt du. Darüber hast du im Lauf der Jahre oft gesprochen und herausgefunden, dass die meisten Menschen eine Geschichte haben, eine Stelle in ihrem Leben, wo der Boden nachgab und sie an einen anderen Ort stürzen ließ. Sie waren fassungslos. Und die Geschichten, die sie dir erzählten, waren nicht der übliche schwächliche Quatsch: dass man an irgendjemanden dachte und derjenige gerade dann anrief. (Kein Mensch erinnert sich an die zahllosen Gedanken, die keinerlei Anruf nach sich ziehen.) Oder dass irgendein Szenario, Gegenstand, Tier, Mensch ihnen im Schlaf ganz klar und deutlich vor Augen stand und dann beim Aufwachen fast identisch wieder auftauchte. (Kein Mensch erwähnt die vielen Visionen, Intuitionen, Vorzeichen, die zu gar nichts führen.)
    Diese Sorte Unsinn ist leicht erklärt. Was einen Menschen erschüttert, ist starker Zauber, das scheinbar Wahrhaftige: Jemand wird von einem Blumenverkäufer auf einer fremden Straße angehalten, oder von einem alten Mann in einer Bar, oder einem unheimlichen Kind – wer und wo es auch sein mag, diese Menschen verkünden irgendetwas, was sich später als wundersam zutreffend oder hilfreich erweisen wird. Oder Gegenstände, Umstände, Handlungen treffen mit einer beharrlichen Bedeutsamkeit zusammen, die dann eminent hilfreich bei lebenswichtigen Entscheidungen oder in schwierigen Zeiten ist. Oder man geht zu Kartenlesern, Handlesern, Auralesern, Farblesern, I-Ging-Lesern, Hellsehern, Obeah-Männern, Medien, Santería-Priesterinnen, Kristallkugelschauern, Cyber-Hexen, Leuten, die sich auf Strandpromenaden für Zigeuner ausgeben – wie es auch geschehen mag, einem Fragenden wird etwas Wichtiges mitgeteilt .
    Eine großartige Kraft hat sie berührt, hat sie auserwählt, eine tiefe und goldene Tatsache wurde ihnen enthüllt, die auf gewöhnliche Weise niemals bekannt geworden wäre, und sie wird wahr – sie ist wahr, konnte nie etwas anderes als wahr sein – und es zeugt vom Muster in der Wirklichkeit, es zeigt seine Fäden und ihren Glanz.
    Das wäre für jeden Menschen etwas Besonderes, würde sie zu etwas Besonderem machen, und du merkst, sie würden es nicht mögen, wenn du es ihnen wegnimmst.
    Denn es ist auch dir passiert – auch du bist an die Reihe gekommen, etwas Besonderes zu werden. Und du hast daran geglaubt. Es war zum Glauben geschaffen.
    Ein Mann, der in einem Türrahmen steht.
    So etwas in der Art hätte es sein können – ein fast unendlich anpassbares, beredtes Bündel aus Wörtern. Vielleicht hattest du es bereits irgendwo gehört, oder die Worte waren gar nicht an dich gerichtet, doch sie krallten sich fest, blieben bei dir, sprachen zu dir, bis du sie erwähltest, nach ihrer Rechtfertigung zu suchen begannst.
    Und wenn du suchst, dann wirst du finden.
    Beth suchte.
    Einen Mann, der in einem Türrahmen steht.
    Sie ist gut im Suchen, sie tut es gerade wieder, ist auf dem Weg zu einer Großen Suite , was immer das auch sein mag, zu dem, was auch immer der Rest der Reise bringen mag, zu dem, was auch immer, Herrgott, der Rest ihres Lebens bringen mag.
    Kein Druck.
    Nur zu Arthurs Suite gehen. Ich bin schon mal gegangen, bin schon zu Hotelzimmern und Suiten gegangen, und es war auch schon mal er darin. Das muss gar nicht schwierig sein, wenn ich es so sehe – es in kleine Stücke beiße, die ich dann schlucken kann.
    Und mich auf das Unwichtige und Harmlose konzentriere – all das, was er nicht ist.
    Also.
    Sie hat einen eigenen Namen, wie ein Haustier: die Astoria Suite. Art wohnt in Zimmern mit Namen. Weil das, was für wichtige Leute bestimmt ist, keine Nummern haben kann, das muss persönlicher sein – wir anderen kriegen die Nummern.
    Sie windet sich die Treppe hinauf.
    »Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.« Als er noch auf der Bühne arbeitete, warf er gern mal Bibelstellen ein – genug, um dem Ganzen ein bisschen Gewicht zu verleihen, aber ohne zu provozieren.
    Im Lauf der Zeit lernte ich sie auch. Ich kann die Scheißheilige Scheißschrift zitieren wie eine Scheißnonne, wenn ich muss.
    Eine Zeitlang war das seine Lieblingsstelle – suchet, so werdet ihr finden – er hatte sie sogar zu oft gebraucht, fast so oft wie ein Mann, der

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