Das blaue Haus (German Edition)
ernst. Er bewunderte Dane für seine Kontrolle diesbezüglich.
„Ich weiß es selbst nicht. Aber ich träume viel von ihr, denke an sie – jeden Tag. Das ist manchmal nicht leicht. Ich warte auf den Tag, an dem ich sie wieder fühlen kann.“
„Du wirst dich auf einen Krieg vorbereiten müssen. Hast du dir einmal Gedanken darüber gemacht, dass es gar nicht möglich ist, so einfach zu ihr zu gehen? Ich meine in aller Öffentlichkeit.“
Dane nickte.
„Auch darüber, dass Sarah dich für tot hält und dich mit großer Angst in Erinnerung hat? Was, wenn sie inzwischen einen neuen Mann kennengelernt hat? Sie ist hübsch und lieb. Vielleicht will sie dich als Vater ihres Kindes gar nicht mehr haben. Eine von vielen Fragen, die wir in nächster Zeit erarbeiten müssen. Mit Erarbeiten meine ich nicht schocken.“
„Einen anderen Vater für das Baby?“
„Unter Umständen.“
Dane saß auf dem Boden, er mochte das. Sein Rücken lehnte am Sessel, und er schaute fragend zu Ragee, der in seinem Schaukelstuhl saß und schaukelte.
„Wie oft magst du dir einen anderen Vater gewünscht haben?“, fragte der Alte.
Dane dachte nach. Wie oft? Wann nicht ?, wäre eine einfachere Frage. „Ich werde nicht so sein wie er. Ich werde das Kind lieben“, war seine Antwort.
„Vielleicht hatte dein Vater dich auch geliebt, es nur nicht zeigen können, weil das Andere in ihm stärker gewesen war. Vielleicht wirst du versuchen, dich zu lieben, nicht aber das Kind.“
„Warum sagst du das?“
„Weil du unter Umständen viele böse Sachen von Sarah zu hören bekommen wirst. Sie wird dir unterstellen, dich an dem Kind vergehen zu wollen, wenn du Probleme hast. So, wie dein Vater es bei dir getan hatte. Du wirst dich im ganzen Land nicht mehr zeigen können. Du bist ein Mörder, der ganz bestimmt nicht mit seiner Familie irgendwo idyllisch leben darf. Sobald jemand erfährt, wer du bist, wirst du eingesperrt werden. Es werden schlimme Zeiten für dich kommen.“
„Ich kann es nicht mehr rückgängig machen.“
„Das ist wahr“, sagte Ragee. „Was könntest du ganz realistisch erreichen?“
„Nichts.“
„Nein, das stimmt nicht.“
„Dann sag es mir.“
„Zeig' es mir. Erzähl mir von deinem Vater. Wie hat er dich großgezogen? Erzähl mir von seiner Liebe und deinem Gefühl, sein Sohn gewesen zu sein.“
Dane gab zunächst keine Antwort. Er holte sich einen Apfel aus der Küche und biss in ihn hinein. „Mein Vater war ein Mensch, der mich benutzt hat, bis ich gelernt habe, ihn zu benutzen“, antwortete Dane nachdenklich.
„Eine kluge Antwort“, sagte Ragee. „Was möchtest du noch loswerden?“
„Nichts.“
„Was war mit Liebe?“
„Nichts.“
„Wann war er einmal anders?“
„Nie.“
„Wer von euch beiden war der perversere Teil?“
Dane sah auf. Er war irritiert.
Der alte Mann sah ihn erwartungsvoll an. Dane dachte nach. Ja, wer war der perversere Teil?
„Ich war es; meine Fantasie war es; der Hass war es. Ich wollte etwas Besonderes schaffen, etwas, das ihn schocken sollte.“
„Hast du es geschafft?“, fragte Ragee über den Rand seiner Brille hinweg.
Dane schwieg. Ja, was hatte er geschafft, wirklich geschafft? Er antwortete leise: „Nein.“
Ragee nickte. „Vielleicht war deine Methode nicht die richtige gewesen. Vielleicht hat sie deinem Vater nur bestätigt, selbst gar nicht so böse gewesen zu sein, denn du hast ihm ja bewiesen, weit böser zu sein, nicht wahr? Das hat ihn belustigt und ihm ein gutes Gefühl gegeben. Denk mal an die Schule. Wenn es immer einen Schüler gibt, der schlechter als du bist, kannst du immer sagen: Der ist ja noch schlechter als ich. Das hebt dich immer etwas höher, als den anderen.“
Dane schluckte. „Du meinst, ich habe mich all die Jahre zum Clown gemacht?“
„Ja, zum Clown, zum Trottel, zum Idioten! Wie willst du es haben? Zum Mörder, Dane! Du hast dich selbst dazu gemacht!“
Dane sprang auf. Er biss in den Apfel hinein und rannte im Zimmer umher. „Nein! Ich war immer der Klügere.“
„Ja, bis du der Dümmere warst.“
„Wie soll ich das bitte verstehen?“ Dane kaute hart auf dem Fruchtfleisch herum.
„Wer stand zum Schluss da und musste die Strafe verbüßen?“
„Ich habe ihn getötet!“
„Ja, weil du nicht anders mit ihm umzugehen verstanden hast.“
„Er hätte mich sonst getötet! Und Sarah vielleicht!“
„Nicht, wenn du von Anfang an anders mit ihm umgegangen wärst.“
„Was? Was war so falsch an meinem Umgang gewesen? Sag mir, was?“
„Geh zu
Weitere Kostenlose Bücher