Das blaue Haus (German Edition)
tröstend beizustehen.
Sarahs Hand krallte sich in den Arm ihres Vaters, und sie wünschte sich plötzlich, es wäre Danes.
Der Wagen kam irgendwann zum Stehen, zu hart für Sarah. Als Ben Newshorn die Heckklappe aufgehen sah, erkannte er die Ruinen des ehemaligen Wohnhauses seiner Tochter. Er hatte die Stätte von Danes letztem Massaker nie zu sehen bekommen und auch nur oberflächlich davon gehört. Nun sah er das alles und konnte sich in etwa vorstellen, was sich hier abgespielt haben musste. Es fror ihn.
Dane rannte zum Scheunentor. Nichts hatte sich seit seinem letzten Tag auf dieser Farm verändert. Sogar das Seil, mit dem er seinen Freund Jim erhängen wollte, baumelte noch mitten im Raum. Weiter im Inneren der Scheune standen seine Corvette und sein Chrysler, beide völlig demoliert und verrostet.
Sarahs Schrei holte ihn wieder zurück. Er rannte zum Wagen und half ihr mithilfe von Newshorn in die Scheune – in jenen Schutz, den Sarah brauchte, um ihren Sohn zur Welt zu bringen.
Was sich anfangs als eine recht gelingende Geburt darstellte, stockte plötzlich, als der Kopf des Kindes im Geburtskanal steckenblieb. Die Scheune war geschlossen. Dämmriges Licht floss durch die kleinen Fenster ins Innere und tauchte das Ereignis in eine seltsame Atmosphäre. Sarah lag auf einer Decke, die Dane noch in einem Regal gefunden hatte, und presste mit aller Kraft in den Unterleib. Es blieb ihr keine Kraft mehr zu schreien. Sie sah Dane und ihren Vater, wie sie um sie herumwirbelten, und dachte daran, sie zum ersten Mal so besorgt zu sehen – gemeinsam.
Die Schmerzen der Geburt machten sie taub, und das Stocken der Geburt ließ sie die ersten Anzeichen von Bewusstlosigkeit spüren.
Dane wurde unruhig, als sie nicht mehr presste und noch unruhiger, als er ihr Bewusstsein schwinden sah. Er schlug ihr ins Gesicht und drückte mit beiden Händen auf ihren Leib. Das brachte sie wieder zu Bewusstsein. Sie schrie.
Ben Newshorn sah den Kopf des Kindes kommen. Er sah durch den Schleim, dass es dunkles Haar hatte.
Die Tatsache, einer Geburt überhaupt beizusitzen, lähmte ihn, aber noch mehr, dass es seine eigene Tochter war, die soeben seinen ersten Enkel zur Welt brachte.
Dane drückte wiederholt seine Hände auf ihren Leib. Es ließ das Kind Zentimeter für Zentimeter aus dem Kanal gleiten. Sarah fand wieder die Kraft, zu schreien. Sie krallte sich dabei in seine Arme und kratzte sie blutig. Der Kopf des Babys entglitt dem Geburtskanal. Dane drückte seine Hände weiter auf ihren Bauch. Die Schultern des Kindes waren jetzt zu sehen, und dann sah Ben Newshorn den gesamten Körper folgen.
Er fing das Baby mit seinen Händen auf. Es war so klein – und so voller Schleim, aber so wundervoll anzusehen. Und es war warm und lebhaft.
Dane veranlasste Sarah zu neuen Schreiattacken, um ihre Atmung wieder zu stabilisieren. Auch wenn sie anfangs spürte, die Lungen nicht richtig öffnen zu können, so holte sie tief Luft, als sie seine Worte „Sarah, komm“ hörte. „Du musst atmen.“
Der Klang seiner Stimme war es, der ihr die nötige Kraft gab und ihre Lungen mit neuem Sauerstoff füllte. Der Geburtsschmerz war vorbei. Verschwommen erkannte sie ihren Vater, wie er das verschleimte Baby hielt, als wäre es ein Festtagsbraten. Es wurde Zeit, ihn mit diesem Wunder bekannt zu machen. Als Dane sah, dass Sarah wieder genug Kraft hatte, griff er nach dem Baby und schrie: „Wasser! Taschentücher!“
Newshorn fuhr in die Höhe. Er suchte krampfhaft nach einem Behälter und fand einen Eimer im Seitenregal der Scheune, direkt daneben einen Wasseranschluss. Als die ersten Liter abgeflossen waren, schob er den Eimer darunter und säuberte ihn so gut wie möglich. Dann fing er frisches Wasser für das Baby auf. Er suchte nach Papiertaschentüchern und fand sie in seiner rechten Hosentasche.
Dane tastete derzeit in dem Rachen des Babys herum und entnahm ihm Schleim und Blut. Er hielt das Kind kopfüber, bis es leise zu schreien begann. Dann wiederholte er den Vorgang noch einmal und hörte den ersten lauten Schrei seines Sohnes. Er fühlte sich damit über alle Maße erleichtert und übergab das Kind an Newshorn, um sich die Hände zu waschen.
Newshorn hielt das Baby immer noch auf Distanz, er wollte nichts falsch machen. Dane begann es behutsam vom ersten Schleim freizuwaschen. Es schrie grell unter dem kalten Wasser auf.
„Wir haben leider kein warmes“, flüsterte Dane dem Kind zu. „Gewöhn' dich daran. Es wird noch öfter in deinem
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