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Das blaue Mädchen

Titel: Das blaue Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Er hätte gern gewusst, was sie gerade machte. Ob sie für die Schule arbeitete, wie er es eigentlich auch tun müsste?
    Der Regen wurde stärker. Marlon richtete den Blick nach vorn. Bei dem vielen Laub überall konnte sich die Straße im Handumdrehen in eine Rutschbahn verwandeln.
    Die Jacke hatte ihn gut geschützt, aber seine Hose war, als er bei Marsilio ankam, völlig durchnässt.
    »Nimm eine von mir«, sagte Marsilio und holte eine Jeans aus dem Schrank. Marlon zog sich um und sie überlegten, wie sie den Abend verbringen wollten.
    »Das
Pradis
?«, fragte Marsilio.
    Tim verzog den Mund. »Keine Weiber heute. Hab mich gerade entliebt und noch höllisch dran zu knabbern.«
    »Wieder mal?« Marsilio beugte sich zu ihm vor. »Timmie, wieso passt du nicht ein bisschen auf deine Gefühle auf?«
    »Bin ich der Hüter meiner Gefühle?«
    »Wer sonst?« Marsilio hob den Zeigefinger. »Ich sag dir eins, Tim, es treibt dich ständig in die falschen Arme. Und wenn du's selbst nicht merkst, muss man's dir eben sagen.« Er fing Marlons Blick auf und ließ den Zeigefinger verlegen wieder sinken. »Du weißt schon, wie ich das meine«, grummelte er. »Kommt mit in die Küche. Meine Eltern sind weg, also haben wir sturmfreie Bude.«
    Sie folgten ihm in die Küche, einen sehr großen, chaotischen Raum mit einem langen Tisch, an dem sogar ein Sofa Platz gefunden hatte. Marsilio öffnete den Kühlschrank, der mit lauter Fotos vom Heimatdorf seiner Eltern beklebt war.
    »Für dich auch ein Bier, Marlon?«
    Marlon nickte. Ein Schleier würde sich über seine Gedanken legen. Mehr wünschte er sich im Augenblick gar nicht, nur einen Zustand von Gleichgültigkeit, in dem er für eine Weile zur Ruhe käme.
    Marsilio stellte das Bier auf den Tisch.
    »Und wenn ihr Hunger habt – der Kühlschrank ist voll.«
    »Du redest schon wie meine Mutter«, sagte Tim. »Die will mich auch immer mästen.« Er hob seine Flasche. »Einer für alle und alle für einen!«
    »Wir drei gegen den Rest der Welt!« Marsilio hielt seine Flasche neben die von Tim.
    »Im Auftrag der Königin!« Auch Marlon hob seine Flasche.
    Sie stießen an und tranken.
    »Früher haben wir die Schwerter in die Luft gestreckt«, sagte Marlon.
    »Oder die Fäuste«, sagte Marsilio.
    »Die Zeiten ändern sich«, sagte Tim. »Irgendwann konnte ich das auch mal auf Lateinisch.«
    »Und wir?«, fragte Marsilio. »Ändern wir uns auch?«
    Tim nickte düster.
    »Seit die Frauen in unser Leben gekommen sind, haben wir uns in Marionetten verwandelt. Sie ziehen die Fäden und wir machen, was sie wollen. Schöne Scheiße.«
    »Ich hänge an keinem Faden«, behauptete Marsilio.
    »Das ist es ja eben.« Tim seufzte. »Dass man es nicht mal merkt.«
    Marlon hatte nicht vorgehabt, über Jana zu sprechen, aber ihre alte Losung hatte, fast wie früher, etwas in ihm berührt. Wenn er sich auf irgendjemanden verlassen konnte, dann auf seine Freunde. Drei gegen den Rest der Welt. Das war nicht die schlechteste Konstellation.
    Er fing an zu erzählen.

    Die Abendgespräche fanden in vier Gruppen statt und wurden entweder von La Lune selbst oder von einem Mitglied des engsten Kreises geleitet. Die Frauen blieben unter sich, die Männer, die Jungen und die Mädchen. La Lune besuchte immer die Gruppe, in der ein Problem aufgetreten war.
    Heute hieß das Problem Jana und alle wussten es schon, bevor La Lune das Wort ergriff.
    »Ich dulde keine eigenmächtigen Handlungen und keine Regelverstöße«, sagte La Lune. »Das Abendessen ist erst dann zu Ende, wenn ich das Abschiedsgebet gesprochen habe. Daran, Jana, hast du dich nicht gehalten.«
    Jana durfte nichts entgegnen, bevor La Lune sie dazu aufforderte. Also schwieg sie.
    »Wenn ein Kind des Mondes krank ist«, fuhr La Lune fort, »heile ich es mit Hilfe der gütigen Mondheit. Die Zeit seiner Krankheit verbringt es in seiner gewohnten Umgebung. Auch daran hast du dich nicht gehalten, Jana. Was hast du dazu zu sagen?«
    »Ich bitte dich, mir zu verzeihen.« Jana brachte die Worte kaum heraus, aber es gab keine anderen, mit denen sie La Lune hätte besänftigen können. »Miri weinte und ich wollte nicht, dass sie allein im Schlafsaal liegt. Es war gedankenlos von mir.«
    »Was ist gegen den Schlafsaal der Mädchen einzuwenden?«, fragte La Lune.
    »Nichts. Er ist nur sehr groß und Miri ist so klein. Ich glaubte, sie würde sich in meiner Nähe sicherer fühlen.«
    Sie war zu weit gegangen. Jana bemerkte es an der Art, wie La Lune die Augenbrauen

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