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Das blaue Siegel

Das blaue Siegel

Titel: Das blaue Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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warum lachte er jetzt so schallend?
     

144.
     
    Der Warenfluss kehrte sich um. Jahrhundertelang waren die Kanghiryuakmiut unter den Völkern des Nordens das Ende der Fahnenstange gewesen; die armen Verwandten, die auf der Insel am Weltrand wohnten, nur Robben, Bären und sich selber kannten und immer gern übers Ohr gehauen wurden, wenn sie sich wirklich mal über Das-schmale-Wasser zu den Tauschplätzen in Nunavaksuaraluk , dem Land-ohne-Ende, wagten. Die Nunatarmiut, der abgelegenste der Festlandstämme, verkauften ihnen dann eher aus Gutmütigkeit, aber auch zu exorbitanten Tauschpreisen vielleicht einen Fetzen ausgebleichtes Tuch, ein Stückchen Hanfseil oder eine rostige Nähnadel, die über Kogarmiut, bärtige Yukatans oder Hare-Indianer und durch viele Hände ihren Weg aus dem Süden vom Bärensee oder Mackenzie oder Yukon River bis zur Dolphin & Union Strait gefunden hatten. Für die Kanghiryuakmiut waren solche Dinge große Wunderwerke, und sie eilten damit heim auf ihre neblige, kahle Insel und prahlten vor ihren noch dümmeren Frauen, sie seien in einer anderen Welt gewesen.
    Das änderte sich binnen weniger Jahre. Die Kanghiryuakmiut wurden gern gesehene, geachtete Gäste an den Feuern der Festlandeskimos. Man bot ihnen das fetteste Fleisch und die üppigsten Frauen an, sang ihre Lieder und schätzte sich glücklich, wenn sie versprachen, im nächsten Sommer wiederzukommen. Nicht wenige junge Leute beiderlei Geschlechts folgten ihren Händlern sogar in den Norden, nach Wollaston-Land, an den Albert Sound, zum Minto Inlet, und waren stolz, wenn sie in die fremden Familien aufgenommen wurden. Denn die Kanghiryuakmiut waren reich.
     
    Itukischuk, der Jäger, war der Fährte der Fremden in den Westen gefolgt, bis sie sich auf dem Meereis verlor. Es schien aber, als seien sie in Das-kleinere-Land hinübergegangen. Sein Volk jagte dort nicht. Es gab böse Geschichten über Das-kleinere-Land, die die alten Frauen in der langen Dunkelheit erzählten, wenn der Sturm von Westen kam. Teufel sollten dort wohnen, Untiere, die vorwitzige Jäger und Kinder fraßen. Warum dorthin gehen, wenn Das-große-Land da war, mit seinen Flüssen, zahllosen Seen, Polarfüchsen, Moschusochsen und den Wegen, die jeder kannte?
    Dennoch hörte Itukischuk von nun an sehr genau hin, wenn die Alten ihre Geschichten erzählten und Lieder sangen, ja, er wurde so neugierig, dass seine Frauen manchmal schon über ihn lachten. Dann fragte er, warum Das-kleinere-Land Das-kleinere-Land hieße, wenn doch nie jemand dort gewesen sei, um festzustellen, ob es größer oder kleiner war als Das-große-Land. Mit solchen Fragen machte er die Frauen, alte und junge, sehr wütend, denn sie wussten keine Antwort, und das brachte sie beinahe um.
    Drei Sommer nachdem die Fremden da gewesen waren, blieb das Wild aus in Dem-großen-Land. Zu hart waren die vergangenen Winter. Itukischuk fuhr weit, weit nach Osten und Norden, und man wandte jeden Jagdzauber an, den man kannte. Aber die Teufel machten, dass die Beute klein und mager blieb, und der Winter fraß viele Alte und ein paar von den Kindern. Als sich auch im folgenden Frühjahr kein Wild zeigte, wurde Itukischuk sehr böse, und er führte eine Gruppe von Jägern über das zugefrorene Meereis in Das-kleinere-Land, um die Teufel zur Rede zu stellen. Nachdem sie lange über kahle Hügel gewandert waren, kamen sie zu einem Fluss und folgten ihm nordwärts in ein weites, grünes und braunes Tal, reicher als alle Täler, die sie in Dem-großen-Land kannten. Unbekümmerte Herden von Moschusochsen zogen dort über die Hänge,und die Männer jagten, töteten, bis ihre Arme müde und ihre Augen ohne Glanz waren.
    Zwei von ihnen gingen mit Fleisch beladen zurück, um den ganzen Stamm, Frauen und Kinder, für den ersten von vielen Sommern in Dem-kleineren-Land herüberzuholen, während einer dablieb und die Kadaver gegen die weißen Wölfe beschützte. Nur Itukischuk ging weiter den Fluss entlang, ganz allein und immer nach Norden. Er wollte die Teufel treffen.
    Nach zwei Tagen stand er am dunklen Wasser einer langen und schmalen Bucht und lachte in der Sonne, weil er nun wusste, dass es in Das-kleinere-Land keine Teufel gab. Es war nur ein Land wie jedes andere unter der Sonne, aber da sehr lange niemand mehr dort gejagt hatte, war das Wild dumm und träge geworden. Seine Frauen würden hier wieder so fett werden, wie er es liebte. Er ging an der Küste entlang nach Osten, um Das-kleinere-Land zu erkunden, und

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