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Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Titel: Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Konrad
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eine gewisse Verwirrung, und es entsteht Unsicherheit, auf welchen Teil der Botschaft eingegangen werden soll. Wenn die Mutter genervt wirkt, sie aber die Arme ausstreckt und sagt: »Komm zu mir« und dabei gleichzeitig zurückweicht, wird das Kind sich fragen, was die Mutter nun wirklich möchte. Achtet das Kind auch auf die nonverbalen Signale der Mutter, wird es vermutlich zögern, der Mutter näher zu kommen, und abwarten, ob ihre Aufforderung ernst gemeint war. Wenn die Mutter daraufhin ärgerlich sagt: »Du hast mich wohl nicht mehr lieb, sonst wärst du gleich in meine Arme gekommen«, ist die Verwirrung beim Kind perfekt. Es entwickelt Schuldgefühle und verinnerlicht die Botschaft: »Egal, wie du dich verhältst, es ist immer falsch.«
    Wenn Doppelbotschaften und sich widersprechende Aufträge in Familien über lange Zeiträume gegeben werden, können sie uns aggressiv machen, uns lähmen oder sogar in den Wahnsinn treiben. Familiäre Aufträge herauszufiltern ist nicht ganz einfach. Wir können uns fragen, welche Richtung unser Leben bisher genommen hat und welche innere Motivation dahinterliegt. Wenn wir unsere leitenden Imperative wie beispielsweise »Sei erfolgreich« oder »Du darfst nicht schwach sein« erkannt haben, können wir überprüfen, ob diese hilfreich, sinnvoll und passend für uns sind.
    In familiären Aufträgen liegt die Tücke, dass diese oftmals nicht als elterliche, also fremde Wünsche wahrgenommen werden, sondern als etwas, das dem eigenen Kern entsprungen ist. Wenn es passt – wunderbar. Wenn diese Aufträge aber nicht oder nicht mehr passen, entsteht Leidensdruck, und dann folgt eine Krise, nicht selten eine existenzielle Krise, in der das gesamte Leben infrage gestellt wird.
    Es gibt Menschen, die nach solchen Krisen ihr Leben umstellen. Einige verändern lediglich ihre Frisur als Ausdruck von mehr Individualität oder gönnen sich ein extravagantes Auto. Andere kündigen ihre Arbeitsstelle, verlassen ihre Partner oder die ganze Familie, fangen noch einmal ganz neu an.
    Die, die zu viel Angst haben, sich ihren unbequemen Gefühlen zu stellen, leben mit einem dumpfen Unwohlsein und geben dieses gemeinsam mit ihren ungelebten Wünschen an ihre Kinder weiter.
    Wieso steigen wir nicht einfach aus dem zwangsläufig überfordernden familiären Erwartungskanon aus? Warum schmeißen wir unseren Eltern, der gesamten Familie, nicht alles vor die Füße, was nicht zu uns passt, und gehen getrost unseren eigenen Weg?
    Weil wir Teil des sozialen Organs Familie sind, deren Wünsche und Ideen wir so verinnerlicht haben, dass sie nur schwer von unseren eigenen Gedanken zu trennen sind. Weil viele Botschaften und Aufträge nicht bewusst sind und dann dementsprechend ungehindert wirken können. Und weil wir in gewisser Weise auch noch bis ins Erwachsenenalter abhängig sind von der Zustimmung und Anerkennung unserer Eltern. Und dann wären da noch die »unsichtbaren Bindungen«, uralte Loyalitäten, die uns an unsere Familie binden und unsere Wege und Entscheidungen beeinflussen – oft ohne dass wir uns über das Ausmaß im Klaren sind.

Teil 3
    » Ganz allmählich begann er zu ahnen, dass er jahrzehntelang mit einem Irrtum gelebt hatte. Es war gar nicht wahr, dass Abgrenzung hieß, sich abzuschirmen und einzumauern wie in einer inneren Festung. Worauf es ankam, war etwas ganz anderes: dass man, wenn die anderen es erfuhren, furchtlos und ruhig zu dem stand, was man im Innersten war.«
    PASCAL MERCIER
    Perlmanns Schweigen

Loyalität – Das starke Band aus Dankbarkeit, Verpflichtung und Schuld
    »Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.«
    Altes Testament, Dekalog, 4. Gebot
    Familiäre Loyalität ist eine Art Treuepakt, der in unserer Kindheit geschmiedet wird und haltbarer ist als jeder rechtlich geschlossene Vertrag. Loyalität zur Familie folgt anderen Regeln als Loyalität in anderen Beziehungen. Sie ist nicht frei gewählt. Sie ist nicht kündbar. Sie entsteht nicht zwischen gleichberechtigten Partnern. Sie entsteht durch unsere Geburt und sowohl durch die Fürsorge unserer Eltern als auch durch unsere Abhängigkeit von ihnen. Wir sind loyal aus Dankbarkeit, aber man findet Loyalität auch dort, wo Eltern nichts getan haben, außer ihren Kindern das Leben zu schenken. Aus Loyalität schützen wir Familienmitglieder, wir schonen sie, wir übernehmen ihre Werte. Wir verteidigen ihre Werte sogar vor anderen, wenn sie von unseren eigenen abweichen. Man muss einen Menschen nicht einmal

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