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Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Titel: Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Konrad
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offengelegt. Janina und Rasmus verstehen nun, was hinter ihrem Starrsinn, wie Weihnachten zu feiern sei, liegt. Sie verstehen, dass es auch darum geht, was ihre Eltern sich von Weihnachten wünschen, und dass sie beide gegenüber ihren Herkunftsfamilien so loyal sind, dass eine Abweichung vom Gewohnten zunächst nicht im Bereich des Möglichen lag. Ich sah dieses Paar noch eine ganze Weile wegen anderer versteckter Loyalitäten und Wiederholungen, aber das Problem mit Weihnachten lösten sie in dieser Sitzung: Sie entschieden sich, sowohl Janinas als auch Rasmus’ gesamte Familie zu sich nach Hause einzuladen. Zeiten ändern sich, Rollen ändern sich, und der Ort, wo in dieser Familie ab jetzt traditionell Weihnachten verbracht wird, hat sich auch geändert.
    Nicht immer lassen sich loyalitätsbedingte Konflikte so einfach lösen. Oft streiten Paare jahrelang über ihre unbewussten Loyalitäten, die sich in Themen wie Kindererziehung, Ordnung, Umgang mit Geld oder Religiosität präsentieren. Das Ringen um gemeinsame Regeln ist nicht erstaunlich, denn wenn sich zwei Menschen finden, begegnen sich auch zwei Familiensysteme mit ihren Vergangenheiten, mit ihren generationenalten Mustern, ihren Traditionen und Erwartungen. Oft wird das Gewohnte verteidigt, »das, wie es zu Hause war«, ohne jemals überprüft zu werden, ob es uns heute wirklich entspricht, ob es uns glücklich macht, ob wir auch in Zukunft so leben möchten. Wenn wir anfangen, unseren Partner nicht mehr als Gegner, sondern als Sparringspartner zu begreifen, der uns blinde Flecken und versteckte Loyalitäten zu unserer Ursprungsfamilie aufzeigen kann, können wir mit neuem Bewusstsein unser Leben ordnen: Wir können entscheiden, welche alten familiären Werte wir übernehmen möchten. Wir können alte, unpassende Vorgaben über Bord werfen. Und wir können gemeinsam mit unserem Partner ein neues Regelwerk schaffen, eines, das unserer erwachsenen Persönlichkeit, unserer aktuellen Lebenssituation und unserer Beziehung angemessen ist.
    Ablösungsprozesse verlaufen selten geradlinig und schnell, wir fahren Kurven, fallen zurück, es geht rauf und runter, aber im Idealfall kommen wir uns selbst dabei näher, ohne unsere Familie und das, was uns wirklich wichtig ist, zu verlieren.
    Die meisten Eltern haben ein lachendes und ein weinendes Auge, wenn ihre Kinder anfangen, eigene Wege zu gehen. Betrachten wir nun die Familien, in denen lediglich Tränen fließen, Familiengefüge, die wir schon bei den bindenden Aufträgen kennengelernt haben, Familien, die schwer oder gar nicht damit umgehen können, wenn die Kinder flügge werden, weil sie auf die eine oder andere Weise auf ihre Kinder angewiesen sind.
    Blut ist dicker als Wasser – Wenn Familie über allem steht
    »Unsere Familie hielt so eng zusammen,
dass ich manchmal das Gefühl hatte,
dass wir eine einzige, aus vier Teilen
bestehende Person seien.«
    HENRY FORD , amerikanischer Unternehmer
    Es gibt Familien, die sind wie offene Häuser: Es gibt genug Platz für unterschiedliche Bedürfnisse, das Mobiliar kann verrückt werden, alles ist in Bewegung und kann immer wieder neu aufeinander abgestimmt werden. Und dann gibt es Familien, die geschlossenen Festungen ähneln, die sich abschirmen von der Außenwelt, die tendenziell als bedrohlich erlebt wird. In einer Festungsfamilie hat familiärer Zusammenhalt Priorität, Nähe und Einigkeit sollen herrschen. Alle sollen das Gleiche denken und fühlen und im Sinne der Gemeinschaft handeln. Eine Familie, die absolute Loyalität einfordert, mag es nicht, wenn ihre Kinder sich entfernen. Sie mag es nicht, wenn die Nachkommen fremden Einflüssen ausgesetzt sind oder sich eigene Meinungen bilden. Wer sich nicht an die Gesetze der Familie hält, wird nicht als selbstständig, sondern als abtrünnig empfunden und dementsprechend bestraft oder ausgestoßen.
    Dieses Bedürfnis nach extremer familiärer Treue kann über Generationen hinweg entstanden sein, weil Familien tatsächlich von der Umwelt ausgegrenzt wurden und nur der innerste Familienkreis Schutz und vertrauenswürdigen Rückhalt bot. Familie Rothschild, eine der einflussreichsten Bankiersfamilien aller Zeiten, hatte sich nicht zuletzt durch die real feindliche Umwelt im 19. Jahrhundert zu einer Festungsfamilie entwickelt. Die Abgrenzung nach außen ging so weit, dass Mayer Amschel Rothschild, der Begründer der Dynastie, bei seinem Tod im Jahre 1812 seinen Nachkommen ein umfangreiches Regelwerk für die

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