Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)
gehalten hat, und wirft ihm vor, »das Traditionsgehabe eines alten Mannes« wichtiger zu nehmen als den Familienzusammenhalt. Herr Förster senior ist enttäuscht, weil sein Enkelsohn nicht seinen Namen trägt, er hätte sich gewünscht, dass sein Sohn sich diesbezüglich durchsetzt. Frank ist enttäuscht, weil niemand seine Bemühungen wertschätzt, es allen recht zu machen. So ist das manchmal in Loyalität einfordernden Familien – man kann gar nicht treu genug sein. Dieses Motto gilt häufig auch bei Familien, die durch mehr als ihre Gene miteinander verbunden sind, die neben ihrem Namen auch eine berufliche Identität, ihre gesamte Existenz miteinander teilen: Unternehmerfamilien.
»Business as usual«? Typische Loyalitätsprobleme in Unternehmerfamilien
»Familien, die einen maßgeblichen Einfluss auf ein Unternehmen haben oder es gar ihr Eigen nennen können, unterscheiden sich von den anderen Familien. Eigentum schafft ebenso Bindungen wie ›große Gefühle‹ und manchmal schafft es auch die großen Gefühle.«
FRITZ B. SIMON , Die Familie des Familienunternehmens
In bestimmten Familien wiegt Loyalität schwerer als in anderen. Es gäbe keine Zirkusdynastien und keine Königshäuser ohne den Zusammenhalt und die enorme Verpflichtung der Nachkommen, dem Willen oder dem Protokoll der Ahnen zu folgen und ihr Leben in den Dienst der Familie zu stellen. Auch in »normalen« Unternehmerfamilien werden oft hohe Loyalitätsansprüche an ihre Mitglieder gestellt, familiäre Aufträge sollen nicht hinterfragt, sondern erfüllt werden, sei es im beruflichen oder privaten Kontext. »Wir haben so viel gearbeitet, damit unsere Kinder es einmal gut haben«, erklärt mancher Firmengründer seine berufliche Motivation – auch um seine Schuldgefühle abzuwehren, sich zu wenig um den Nachwuchs gekümmert zu haben, von dem er gleichzeitig aber Dankbarkeit für seine Mühen erwartet.
In Deutschland sind circa 75 Prozent der Unternehmen sogenannte Familienunternehmen, besonders im Handwerk, im mittelständischen Handel, in der Landwirtschaft und der Gastronomie sind Familienbetriebe verbreitet. Je größer und länger das Unternehmen besteht, desto mehr Freiraum haben die Nachkommen oft, sich einen passenden Platz im Unternehmen, aber auch außerhalb zu suchen. In kleinen und jungen, also erst von der Elterngeneration gegründeten Betrieben besteht häufig eine höhere innerfamiliäre Erwartung und Verpflichtung. Der Akt einer Unternehmensgründung stiftet in der Gründergeneration Identität und Sinn, und es besteht die Hoffnung, der Nachwelt etwas über den eigenen Tod hinaus zu hinterlassen. Aus Sicht der Nachkommen entpuppt sich das Privileg der Firmenübernahme allerdings mitunter als goldener Käfig, der kein Entkommen bietet.
Jan ist ein sprachbegabtes Kind. Sein Traum ist es, die Welt zu bereisen, »Entdecker« schreibt er als Berufswunsch in der dritten Klasse an die Tafel. Er gewinnt in seiner Jugend Schreibwettbewerbe und nimmt an einem halbjährigen Schüleraustausch nach Südamerika teil, der ihn begeistert. Jan ist 17 Jahre alt, als er seinen Eltern verkündet, dass er Journalist oder, genauer, Auslandskorrespondent werden möchte. Jan ist ein wenig aufgeregt vor dem Gespräch, denn er weiß, dass seine Eltern eigentlich andere Pläne mit ihm haben. Er weiß, dass im mittelständischen Betrieb der Familie, den sein Großvater gegründet hatte, irgendwann eine Stellung in der Chefetage auf ihn wartet. Was er nicht weiß, ist, dass er keine Wahl hat. Sein Vater hört sich seine Pläne schweigend an. Dann steht er mit finsterer Miene auf und verlässt das Haus. Als er zwei Stunden später zurückkommt, teilt er Jan ruhig und bestimmt mit: »Entweder du übernimmst deine Position in der Firma, oder du bist ab jetzt auf dich allein gestellt. Erwarte keine Unterstützung von uns. Die Entscheidung liegt bei dir.« Jan fühlt, wie ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Er will nicht mit seiner Familie brechen. Er will niemanden verärgern. Er wollte nur seine beruflichen Weichen anders stellen, als von der Familie vorgesehen. Jan macht sein Abitur. Er wird ernster, nachdenklicher. Mit 19 Jahren beginnt er direkt nach der Schule eine Ausbildung im elterlichen Unternehmen. Fünf Jahre später leitet Jan den Betrieb, gemeinsam mit seinem Vater, der stolz auf seinen Sohn ist. Jan ist der Typ Unternehmersohn, der seine eigenen Wünsche verdrängt und sich ganz den elterlichen Erwartungen fügt. Der Preis, den
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