Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)
er dafür bezahlt, ist hoch: Er kostet ihn seine Träume, seinen eigenen beruflichen Lebensweg.
Lars hat andere Probleme. Er hat ehrgeizig alle väterlichen Vorgaben erfüllt, hat BWL studiert, einige Zeit im Ausland verbracht und in anderen Unternehmen gearbeitet, als er mit Anfang 30 zurückkehrt ins elterliche Unternehmen, wo ihm eine Führungsposition versprochen wurde. Sein Vater freut sich, den Sohn nun wieder in seiner Nähe zu haben, er stellt ihn Geschäftsfreunden als zukünftigen Partner vor und protegiert ihn, wo immer er kann. Lars arbeitet sich schnell in die Geschäftsführung ein. 60-Stunden-Wochen sind keine Seltenheit, er lebt für die Firma, und er ist bereit, das Ruder zu übernehmen. Der Seniorchef fühlt sich aber noch ganz wohl in seinem Chefsessel, und er traut seinem Sohn noch nicht zu, alles 100-prozentig in seinem Sinne weiterzuführen. Jahr für Jahr verschiebt Lars’ Vater seinen Ausstieg aus der Firma. Wenn Lars Pech hat, ergeht es ihm wie dem englischen Thronfolger Prinz Charles, und er kann ewig auf die Firmenübernahme warten. Gleichzeitig muss er gute Miene zum bösen Spiel machen und brav nach der Pfeife des Seniors tanzen, der ja nicht nur Chef, sondern auch Vater ist.
Naturgemäß ist in Unternehmen die Phase der Übergabe der Verantwortung ein emotionales Minenfeld aus Kränkbarkeiten, Machtansprüchen, Respekteinforderungen und Kompetenzgerangel. Wenn eine Machtübergabe unter Fremden stattfindet, können die Beteiligten sich streiten, sie können sich aus dem Weg gehen, vor allem aber gehen sie abends nach Hause zu ihren Familien und können über den Gegner schimpfen. Wenn Streit in einem Familienunternehmen ausbricht, schlägt dies auch im privaten Bereich Wellen: Der widerständige, aufwieglerische Mitarbeiter ist ja gleichzeitig der Sohn und der starrsinnige, altmodische Chef gleichzeitig der Vater. Familien können an solchen Streitereien zerbrechen, wenn sie nicht klare Regeln einführen, wie Privates und Geschäftliches getrennt wird. Die Differenzierung zwischen Privatem und Geschäftlichem ist einfacher gesagt als getan, denn tatsächlich sind gleich drei existenzielle Bereiche – die Familie, die Arbeit, das Eigentum – miteinander verwoben, und dies führt zu den besonderen Schwierigkeiten, mit denen Unternehmerfamilien oftmals zu kämpfen haben.
Wenn Unternehmerfamilien mich in meiner Praxis aufsuchen, kommen sie nicht mit dem Schwerpunkt Unternehmen, sondern sie kommen als Familie, die meist schon seit längerer Zeit Schwierigkeiten hat, die die Mitglieder allein nicht bewältigen können. Die Themen, um die es unterschwellig geht, sind meist enttäuschte Loyalitätsforderungen und misslungene oder gerade begonnene Ablösungsprozesse, die die Familie in eine Krise stürzen. Oft sind es die erwachsenen Kinder der Unternehmerfamilien oder deren Partner, die Unterstützung suchen. Es geht um Schwierigkeiten beim Generationenwechsel im Unternehmen, um geschwisterliche Rivalitäten und oft um Ehepartner der Nachkommen, die sich der Familie und dem Unternehmen weniger verpflichtet fühlen und somit frischen, für die Familie oft gefährlich starken Wind mitbringen, der alte Strukturen durcheinanderwirbelt. Unternehmerfamilien haben viele besondere Chancen, aber auch viele besondere Konflikte.
Loyalität in Unternehmerfamilien bedeutet, dass Kinder einen vorgefertigten beruflichen Plan mit in die Wiege gelegt bekommen, den sie verfolgen müssen. Eine Unternehmensgründung bindet auch die folgenden Generationen in besonderer Weise, denn oft sind an diesen Akt Hoffnungen geknüpft, die das symbolische Weiterleben des Gründers über das Unternehmen sichern sollen.
In Familie A. übernimmt seit Generationen immer der erstgeborene Sohn die Leitung der Geschäfte, obwohl in der jetzigen Generation die Tochter oder der zweitgeborene Sohn viel besser geeignet wäre. Nicht selten kommt es in Familien, in denen mehrere Nachfolger zur Verfügung stehen, zu geschwisterlichen Konflikten.
In Familie V. entbrannte ein erbitterter Streit unter den Geschwistern um die Führung des väterlichen Unternehmens, der jahrelang sowohl die Familie als auch die Mitarbeiter in Atem hielt. Nach ihrem betriebswirtschaftlichen Studium stiegen die Tochter und die beiden Söhne der Familie V. in das elterliche mittelständische Unternehmen ein, alle drei mit dem inneren Auftrag, die Firma irgendwann zu leiten. Der Unternehmensgründer Herr V. wollte keines seiner Kinder bevorzugen, deshalb
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