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Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Titel: Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Konrad
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stellte er alle drei als gleichwertige Geschäftsführer ein und sah davon ab, ihnen bestimmte operative Bereiche zuzuteilen. Es kam, wie es kommen musste: Drei rivalisierende Kinder, die um die Führung der Firma und die Anerkennung des Vaters kämpften, destabilisierten sowohl die Familie als auch den Betrieb. Erst als die Familie verstand, dass die Geschwister in väterlichen Aufträgen gefangen waren, die sie geradezu dazu anhielten, die anderen zu bekämpfen, um erfolgreich das Unternehmen zu leiten, konnten sinnvolle Umstrukturierungen auf der Geschäftsebene stattfinden. Fortan gab es getrennte Aufgabenbereiche, die die Geschwister miteinander verhandelten, und individuelle Ziele, die nicht in Konkurrenz zueinander standen, sondern sich ergänzten. Auch eine Aussprache mit dem Vater war dringend notwendig: Er musste sich und seinen Kindern eingestehen, als Vater die besten Intentionen gehabt, in seiner Rolle als Chef aber versagt zu haben, weil er keine klaren Vorgaben formuliert und den Konkurrenzkampf somit forciert hatte.
    Ein anderer Grund für Geschwisterkämpfe entsteht in extrem Loyalität fordernden Familien durch die Vorgabe, sich nicht vom Elternhaus lösen zu dürfen. Wenn die Eltern unantastbar sind, beschränken sich Reibungs- und Abnabelungsprozesse auf die gleich starken Geschwister. Trotz ihrer Aggressionen auf der Geschwisterebene vermeiden diese eine kritische Auseinandersetzung mit den Eltern. Oft entpuppt sich ein Geschwisterstreit auch als Buhlen um die Gunst der Eltern, also die Frage: Wer ist das bessere Kind, wen liebt ihr mehr?
    In Extremfällen verbieten Eltern jede Form der innerfamiliären Aggression. Streitigkeiten und Missstimmungen sind tabu, Spannungen dürfen in der Familie nicht gefühlt oder offen ausagiert werden, um die Eltern zu schonen und den Zusammenhalt der Familie zu sichern. Solche rigiden Harmonie-Beziehungsgesetze enden spätestens nach dem Tod der Eltern, wenn ein Kampf um das Erbe entbrennt und das letzte Mal darum gestritten wird, wen die Eltern am liebsten mochten.
    Eine ganz andere Möglichkeit, die Gesetze und den Zusammenhalt einer Familie nicht direkt infrage stellen zu müssen, besteht darin, Spannungen, die aus einer überfälligen Ablösung resultieren, aus der Familie auszulagern und ein außerfamiliäres Feindbild zu schaffen. Auf privater Ebene werden oft die Partner der Nachkommen für familiäre Konflikte verantwortlich gemacht. Diese Schuldzuweisung lässt sich häufig beobachten bei Eltern, die ihre Kinder nicht als abgelöste Individuen mit eigenen Entscheidungen wahrnehmen. Für sie ist klar: Der Junior hat sich so verändert, seit er seine Frau kennengelernt hat. Früher hat es nie Konflikte gegeben, erst seitdem sie mit von der Partie ist, gibt es immer wieder Unfrieden. Sie hetzt ihn auf! Sie treibt einen Keil in die Familie! Sie ist schuld an dem Zerfall der Familie. Dieser Eindruck ist sogar nachvollziehbar, denn tatsächlich bringt die Beziehung des Juniors grundlegende Veränderungen mit sich: Er ist nicht mehr nur Sohn, sondern auch Ehemann und eventuell Vater, und er muss eine wichtige Entwicklungsaufgabe bewältigen: gemeinsam mit seiner Frau neue Gesetzesentwürfe für ihre Beziehung und ihr Leben schreiben und seine Loyalität auf seine Partnerin und seine Kinder übertragen. Diese Veränderungen bedeuten nicht, dass der Sohn seine Eltern weniger liebt, sondern lediglich, dass er beginnt, eigene Entscheidungen zu treffen und ein unabhängiges, eigenes Leben zu führen. In extrem loyalen Familien stört diese Entwicklung das bisherige Familiengleichgewicht empfindlich.
    Je kleiner ein Familienunternehmen ist, desto mehr sind die Familienmitglieder aufeinander angewiesen und desto bedrohlicher sind Konflikte untereinander, denn sie gefährden gleich vier existenzielle Bereiche, die in Familienunternehmen typischerweise verquickt sind: die Familie, das gemeinsame Unternehmen, das gemeinsame Eigentum und den Alltag, der oft eng miteinander gelebt wird.
    Der 45-jährige Martin hat die größtmögliche Schnittmenge aller Bereiche: Er ist angestellt im Unternehmen seiner Eltern, und er lebt mit seiner Frau und seinen Kindern im elterlichen Mehrfamilienhaus, das ihm genauso wie das Unternehmen zu einem geringen Teil gehört. Sein ganzes Leben basiert auf einer engen Beziehung zu seinen Eltern. Jahrelange, sich verschärfende Konflikte rütteln nun am Fundament seiner Existenz, sowohl seiner emotionalen als auch seiner materiellen. Martin

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