Das Blumenorakel
die vergangene Nacht zum Tag gemacht hatte, versuchte ihr Gähnen hinter vorgehaltener Hand zu verstecken. Konstantin bemerkte, dass sie vor Müdigkeit schwankte.
Dieser Anblick lieà ihn urplötzlich laut auflachen.
Was war das nur für eine verrückte Bande! Was taten sie nicht alles für ein bisschen Spaà und Amüsement! Dafür waren sie sogar gewillt, ihn als Künstler anzusehen, ja, sie waren sich nicht einmal zu schade, für ihn die Claqueure zu spielen.
Warum also sollte er ihnen die Freude verderben? Wer war er, dass er Püppi für ihren verrückten Einfall verfluchte? Mitspielen war angesagt, mit einem Schuss Selbstironie und SpaÃ. Und nicht wie ein ertappter Hund den Schwanz einziehen.
Er winkte eines der Serviermädchen heran und schnappte sich ein Glas Champagner von ihrem Tablett.
»Freunde!«, rief er laut und mit groÃer Geste in die Runde, die sich sogleich von Popo abwandte. »Lasst uns zum Wohle unseres lieben Redners trinken, der es wie kein anderer versteht, meine Bilder mit Kunst zu vergleichen!« Unter dem zustimmenden Gemurmel der Menge leerte Konstantin sein Glas, lieà sich ein frisches reichen. »Und einen Toast auf euch alle, ihr lieben Freunde, die ihr meine amateurhaften Versuche so wohlwollend zur Kenntnis nehmt!« Während die umstehende Menge lachte und ihm zuprostete, hob Konstantin erneut sein Glas.
»Einen weiteren Toast möchte ich ausbringen auf unsere über alles geliebte Püppi, denn sie allein hatte die Idee zu dieser Ausstellung â ich selbst hätte es nie gewagt, euch mit meinen Bildern zu langweilen.« Mit Genugtuung stellte Konstantin fest, dass sich keine einzige Seele zu langweilen schien, ganz im Gegenteil, alle schienen sich bestens unterhalten zu fühlen. »Leider habe ich meine Malerei in letzter Zeit etwas vernachlässigt, wovon sich jeder hier im Saal selbst überzeugen kann.« Er zuckte nonchalant mit den Schultern, küsste dann aufreizend lange Püppis Hand. »Aber was bedeutet schon die eigene Karriere, wenn man stattdessen die Liebe einer groÃartigen Frau geschenkt bekommt?«
Stürmischer Applaus folgte seinen Worten. Konstantin lächelte.
Ein Künstler? Gewiss war er das. Es fragte sich nur, in welchem Metier â¦
37 . K APITEL
K onstantin Sokerovs Vernissage war der Anfang. Zwar waren Floras Maiglöckchen nicht gerade das Tagesgespräch in Baden-Baden, aber die sinnreiche Blumendekoration vor den Bildern, die sogar in Graf Popos Rede aufgetaucht war, sprach sich herum. Etliche Gäste, die Floras Blumen-ABC in ihren Hotelzimmern achtlos zur Seite gelegt hatten, kramten es nach der Vernissage wieder hervor. Und auch Kurgäste, die nicht auf Püppis Einladungsliste gestanden hatten, erfuhren von den »sprechenden Blumen« und waren davon recht angetan â diese Idee entsprach ganz der romantischen Natur der russischen Seele.
Und so kam es, dass in der Saison 1872 Flora mit ihren Blumen bei den Baden-Badener Kurgästen plötzlich en vogue war.
»Ich habe ein ganz spezielles ⦠Anliegen«, sagte eines Morgens ein junger Russe mit pickliger Haut und dem Namen Igor Strawinsky, nachdem er durch die Ladentür gestürmt war. Aufgeregt erzählte er Flora von seiner Angebeteten, die vor lauter Hochmut gar nicht merkte, wie heftig sie angebetet wurde.
»Sie nimmt mich einfach nicht zur Kenntnis! Für sie bin ich Luft â wie soll ich ihr da je meine Liebe gestehen?« Der junge Verehrer raufte sich verzweifelt die Haare. »Wahrscheinlich ist meine Lage so aussichtslos, dass nicht einmal diese berühmte Blumensprache helfen kann â¦Â«
Wie perfekt er Deutsch sprach, wunderte sich Flora, die ursprünglich befürchtet hatte, dass ihre Blumendeutungen von den ausländischen Kurgästen vielleicht gar nicht verstanden wurden. Friedrich hatte angesichts ihrer Ãngste nur gelacht.
»Wer so viel Geld hat, kann sich die teuersten Schulen und die besten Lehrer erlauben, diese Leute sind daher hochgebildet!«
Zum ersten Mal in ihrem Leben war Flora froh, dass auch sie einst Englisch und Französisch gelernt hatte. »Wer in dieweite Welt hinaus reist, muss die wichtigsten Sprachen beherrschen« â so lautete das Motto der Samenhändler.
Mit einem Lächeln wandte sich Flora nun ihrem Kunden zu.
» Ein Strauà wird wahrscheinlich tatsächlich nicht ausreichend sein,
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