Das Blumenorakel
ein gerichtliches Verfahren nicht ausgeschlossen werden könne. Flora war es bei seinen Worten ganz schlecht geworden. Ausgerechnet jetzt, wo das Geschäft so gut lief, bekam sie solch einen Ãrger! Kuckucksspucke, warum konnte nicht ein Mal im Leben etwas seinen normalen Gang gehen?
»Was werden die wohl mit mir machen? Womöglich muss ich ins Gefängnis?« Verzagt schaute sie von einem zum anderen.
»Und was werden wohl die Leute sagen, wenn sie davon Wind bekommen?« Sorgenvoll kaute Ernestine auf ihrer Unterlippe.
Der alte Gärtner winkte ab. »Jetzt mach dich nicht verrückt! Wenn überhaupt, bekommst du höchstens eine Geldstrafe. Falls es dir hilft, kann ich auch aussagen, dass du allwöchentlich groÃe Mengen Blumen bei mir kaufst. Da kanns mit der Waldschänderei ja nicht so weit her sein.«
»Das würden Sie für mich tun?« Schon wurde es Flora ein wenig leichter ums Herz.
Der Gärtner nickte. »Aber warum hat Josef Kuttner dich überhaupt angeschwärzt? Unter Geschäftsgenossen ist so etwas doch eher ungewöhnlich.«
»Genossen!« Ernestine spuckte das Wort wütend aus. »Als solche hat er uns noch nie betrachtet. Und jetzt, wo auch wir erfolgreich sind, platzt er wahrscheinlich vor Neid.« Ihr Gesicht war vor Aufregung feuerrot angelaufen. »Was er getan hat, ist wirklich nicht recht. Am liebsten würde ich ihm ordentlich meine Meinung sagen.«
»Das lass bitte bleiben, ich habe eine viel bessere Idee«, erwiderte Flora grimmig. Einen Moment lang schien sie noch zu zögern, dann holte sie tief Luft.
»Herr Flumm, ich brauche gelbe Blumen. Rosen, Lilien, ach, alles was Sie haben. Und zwar jetzt sofort!«
Der Gärtner lieà sich nicht zweimal bitten. Eilfertig lief er auf die StraÃe zu seinem Lieferwagen.
Hier noch eine gelbe Rose, da noch eine Handvoll Ringelblumen â Floras Strauà wurde gröÃer und gröÃer. Erst als sie ihn mit beiden Händen kaum mehr halten konnte, hörte sie auf. Zu guter Letzt steckte sie noch ein halbes Dutzend gelbe Seidenschleifen zwischen die Blütenfülle.
»Gelb, wohin man schaut! Wunderschön«, hauchte Ernestine, die Flora bei der Arbeit beobachtet hatte. »Aber für wen ist dieser Prachtstrauà denn bestimmt?«
Als Flora ihr den Namen nannte, traute Ernestine ihren Ohren kaum.
Mit dem ausladenden Strauà im Arm machte sich Flora auf den Weg. Beim Maison Kuttner angekommen, stellte sie fest, dass der Laden wie ausgestorben war. Eines der Blumenmädchen wischte Staub, ihre Kolleginnen standen gelangweilt hinter der Theke. Wie schade â wenn es nach Flora gegangen wäre, hätten so viele Kunden wie möglich ihren Auftritt mitverfolgen können.
Bei ihrem Eintreten ging ein ungläubiges Raunen durch den Raum. Die junge Frau mit dem Staublappen lieà diesen vor Verblüffung fallen.
Flora verknifft sich ein Grinsen und lieà den Blick in Ruhe durch den Raum schweifen. »Keine hochverehrte Kundschaft weit und breit?« Sie lächelte zuckersüà in die Runde. »Gehen die Geschäfte womöglich weniger gut als noch vor kurzer Zeit? Nun ja, in diesem Jahr wird der Kuchen eben anders verteilt, nicht wahr? Aber vielleicht kann ich die gnädigen Damen ein wenig aufmuntern.« Mit beiden Händen hielt sie den jungen Frauen ihren Strauà entgegen. »Ein Blumenstrauà für einen Blumenladen â das mag im ersten Moment etwas ungewöhnlich wirken.« Sie kicherte betont affektiert. »Aber glaubt mir, diesen Strauà habt ihr euch redlich verdient!«
Verwirrt schauten sich die Blumenverkäuferinnen an.
»Nun ja, Gelb ist die Farbe des Neides.« Flora schaute von einer zur anderen. »Und neidischere Weibsbilder als euch habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Was eure Anzeige angeht â pfui Teufel kann ich dazu nur sagen!« Mit hocherhobenem Kopf ging sie in Richtung Tür. Die Klinke schon in der Hand, drehte sie sich nochmals um.
»Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir friedlich nebeneinander existieren können, Baden-Baden ist groà genug für zwei Blumenläden. Aber jetzt könnt ihr euch auf harte Zeiten einstellen. Glaubt mir, ich werde euch so viele Kunden wie möglich vor der Nase wegschnappen.«
Die Anzeige wegen Waldschänderei verlief im Sande â Flora konnte glaubwürdig nachweisen, dass wegen ihr
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